■ Standbild: Ziemlich weihrauchig
„Der Präfekt“, Donnerstag, 23 Uhr, ARD
Kaum zwei Wochen ist es her, da hörte unsereins erstmals von Marktl am Inn. In seinem Esoterik-Testballon „Mysteries“ präsentierte Jörg Draeger bei RTL eine gewisse Frau Zischgl, die mit seherischen Fähigkeiten ausgestattet war. Und die kam aus eben jenem Marktl. Am Inn. Belanglos, gewiß. Wäre da einem nicht gegen Ende dieses telegenen Geburtstagsständchens für Joseph Kardinal Ratzinger die Kunde zuteil geworden, daß der brave Gottesmann ebenfalls in jenem Marktl vor nunmehr 70 Jahren seinen ersten Schrei tat. Was doch irgendwie den Schluß nahelegt, daß dieser bajuwarische Flecken ein besonders guter Humus für Geisterseher aller Art zu sein scheint. Könnte man noch mal ordentlich investigativ recherchieren.
Womit Holger Lösch in seinem Filmchen zu Ehren des Chefs der katholischen Zensurbehörde, auch Römische Glaubenskongregation genannt, freilich gar nichts am Hut hatte. Sein Porträt Jens Ratzingers, Josef, beschränkte sich auf eine vielmehr unfreiwillig komische Beweihräucherung des höchsten Statthalters der Wahrheit Marke Katholizismus. Wobei vor allem der Off-Kommentar das Herz hüpfen ließ: „Ernst und versunken erlebt der Kardinal die Lithurgie“ – „Stündlich hat er die mächtigen Glocken von St. Peter im Ohr“ – „Für den Kardinal gibt es nur die Wahrheit, die von Gott kommt“, usw. usf.
Wir wollen nicht verschweigen, daß Lösch mit Hans Küng (lebt noch!) auch einen vehementen Ratzinger-Kritiker zu Wort kommen ließ, dagegen dann aber auch bekennenden Verehrern wie dem Kölschen Oberpfaffen Meisner („für mich ist er der Mozart der Theologie“) und den bayerischen Ex-Kumi Hans Maier (lebt auch noch!) die Freiheit der blumigen Rede gewährte. Der Jubilar selbst kam erst spät zu Wort, dann aber auch total modern. Da muß was Pep rein, mag sich Herr Lösch gesagt haben, und führte drum die Statements des Kardinals in hübschen Weichzeichner-Kreisen vor, die ungefähr vor zehn Jahren mal ziemlich innovativ waren. Ein veritables Exotenprogramm des BR also und ein ordentlicher Appetizer für die „Harald Schmidt Show“. Wie ich es ja grundsätzlich überaus zu schätzen weiß, wenn – wie hier – ein Autor zugleich sein eigener Redakteur ist. Zumindest stelle ich mir die heißen Diskussionen im Sender da immer total konstruktiv vor. Reinhard Lüke
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