■ Zaire: Ruandische Flüchtlinge als Faustpfand der Rebellen?
: Verzögerte Repatriierung

Einhunderttausend ruandische Hutu-Flüchtlinge warten seit über einer Woche darauf, via Luftbrücke nach Ruanda repatriiert zu werden. Letzte Woche noch bewilligte Rebellenchef Kabila deren Rückführung. Jetzt verhindern lokale Kräfte, daß die Flüchtlinge, deren Lager 20 Kilometer südlich von Kisangani liegt, über den Flughafen in der Stadt ausgeflogen werden. Die offizielle Begründung für die verweigerte humanitäre Hilfeleistung: Angst vor den sich in der Regenzeit schnell ausbreitenden Seuchenkrankheiten – laut UN sterben am Tag sechzig Menschen an Cholera, Malaria und Durchfall. Und sie haben es satt, daß die ruandischen Flüchtlinge teils besser versorgt waren als die Zairer selbst. Wie groß die Wut ist, zeigte sich am Freitag, als eine Menschenmenge ein Lebensmitteldepot der UN plünderte.

Die Flüchtlinge, so forderte Kabila dieses Wochenende, sollen nun auf dem Landweg nach Ruanda zurückgebracht werden. Abgesehen von berechtigter Angst vor Krankheiten, scheint Kabila das Flüchtlingsproblem für eigene Interessen zu instrumentalisieren. So wie die ruandischen Flüchtlinge 1994 das international geächtete Mobutu-Regime auf die internationale Bühne zurückholten, sind sie heute Kabilas Faustpfand gegenüber der internationalen Gemeinschaft. Solange die zairische Hauptstadt nicht übernommen und das Mobutu-Regime noch am Leben ist, bleiben sie ein Druckmittel der Allianz.

Wer aber profitiert noch von einer langsameren Rückführung von Flüchtlingen? Das befreundete Regime in Ruanda kann nach der Repatriierung von über einer Million Menschen binnen weniger Monate kein Interesse daran haben, weitere Flüchtlinge in Ruanda integrieren zu müssen. Dies um so weniger, als sich unter denjenigen, die bis Kisangani geflohen sind, angeblich viele der für den ruandischen Völkermord verantwortlichen Hutu-Milizen befinden. Verschärft hat sich zudem die innenpolitische Lage in Ruanda. Hutu-Extremisten verüben verstärkt Anschläge auf Tutsi-Überlebende des Genozids, auf lokale Hutu-„Kollaborateure“ der Regierung und auf die Armee. Für Ruanda wären das Gründe genug, Kabila zu bitten, die Repatriierung zu verzögern. Solange das Mobutu-Regime sich an die Macht klammert und Kabila international nicht anerkannt ist, bleiben die Flüchtlinge Opfer der ungelösten Lage in Ruanda und Spielball des Bürgerkriegs in Zaire. Daniel Stroux