Wer ließ den Journalisten hinrichten?

Vor zwei Monaten wurde der Fotograf José Luis Cabezas in Argentinien ermordet. Die Täter sind gefaßt, Polizisten stehen unter Verdacht. Nur einer fehlt bislang: der Auftraggeber  ■ Aus Buenos Aires Ingo Malcher

Bezahlte Killer sind für gewöhnlich zuverlässig und professionell. Sie verlassen den Tatort, ohne Spuren zu hinterlassen – nur, wenn sie geschnappt werden, haben sie nichts zu verlieren und fangen an auszupacken. So könnte es auch im Fall des argentinischen Fotojournalisten José Luis Cabezas sein, der am 25. Januar diesen Jahres ermordet wurde. Die Mörder sind gefaßt – und schweigen.

Schon kurz nach dem Mord wurde der Verdacht laut, Angehörige der Polizei der Provinz Buenos Aires könnten darin verwickelt sein. Jetzt sitzen alle mutmaßlichen Mitglieder des Mordkommandos in Untersuchungshaft. Einer von ihnen, Gustavo González, hat seine Mittäterschaft gestanden. Seiner Aussage nach wurden die bezahlten Killer von Cabezas von dem Hauptverdächtigen ausgewählt, dem Expolizisten Gustavo Prellezo. Er soll einen Vorschuß von 1.000 Dollar gezahlt haben. Insgesamt, so behauptet der geständige González, sollen 50.000 Dollar gezahlt worden sein. Nur: Über die Hintermänner sagt auch Gustavo González nichts aus. Am Samstag nun hat sich auch José Luis Auge gestellt. Er gilt als engster Vertrauter Prellezos. Von ihm erhoffen sich die Richter den Namen des Auftraggebers.

Der Tathergang stellt sich so dar: Die Bande kidnappte den Fotografen im Luxus-Badeort Pinamar, als er spät nachts von einer Party kam. Zwei der Helfershelfer stiegen zu Cabezas ins Auto, packten ihn auf den Rücksitz und fuhren ihm zu dem Ort seiner Hinrichtung.

Auf dem Weg dorthin fesselten sie Cabezas mit Handschellen auf dem Rücken und stahlen ihm den Geldbeutel aus der Tasche. Außerhalb von Pinamar hielten sie an und ließen den Fotografen mit gefesselten Händen vor seinem Auto niederknien. Zwei der Anführer, darunter Prellezo, sollen mit ihren Pistolen auf Cabezas gezielt haben. „Ich habe zwei Schüsse gehört“, so González „Aber vielleicht war es auch nur einer, und der andere könnte das Echo gewesen sein“, sagte er nach Angaben der Tageszeitung Clarin dem Richter. Wer den Schuß abgegeben hat, weiß González nicht: „Ich konnte es nicht ansehen“, gab er an.

Nachdem Cabezas erschossen worden war, verbrannten seine Mörder die Leiche in seinem Wagen. Während der gesamten Aktion soll Prezello mit einem der Hintermänner mit dem Funktelefon telefoniert haben. Der zuständige Polizeikommissar von Pinamar habe darüber hinaus der Mörderbande eine polizeifreie Zone für die Tatnacht versprochen.

Auch Prellezo ist bei dem Verbrechen nur ausführendes Organ gewesen, das den Mord zu organisieren hatte. Wer die tatsächlichen Hintermänner sind, bleibt noch immer im dunkeln. Prellezo steht das Wasser bis zum Hals. Er hat der Justiz einen Kuhhandel vorgeschlagen: Wenn ihm eine Strafverkürzung gewährt und die Sicherheit seiner Familie garantiert wird, will er auspacken.

Allerdings scheinen die Anwälte seiner Kumpanen bereits ähnliche Deals mit den Behörden vereinbart zu haben. Der Gouverneur der Provinz von Buenos Aires und Anwärter auf die Nachfolge von Präsident Menem, Eduardo Duhalde, gab zu einem solchen Handel bereits seinen Segen. Duhalde steht unter Druck. Ihm werden enge Kontakte zu Kriminellenbanden in seiner Provinz nachgesagt. Von Drogenschmuggel und anderen zwielichtigen Nebenverdiensten des Gouverneurs ist die Rede. Und so waren viele davon überzeugt, daß Duhalde bei der Ermordung von Cabezas seine Hände mit im Spiel hatte.

Prompt schaltete sich der Gouverneur übereifrig in die Ermittlungen ein und hofft nun, „daß ich diese Woche mein vor 80 Tagen gemachtes Versprechen einlösen kann und zu dem Haus der Eltern und der Schwester von Cabezas gehen kann, um seiner Frau Cristina sagen zu können, wer José Luis umgebracht hat“.

Der Mord an Cabezas läßt die argentinische Gesellschaft nicht zur Ruhe kommen. Die Art, wie der Fotograf ermordet wurde, gefesselt, erschossen, verbrannt, erinnert fatal an die Morde der Militärs während der 1983 zu Ende gegangenen Diktatur. Demonstrationen zum Gedenken an den ermordeten Journalisten wurden zu einer Generalanklage gegen die Straffreiheit, der sich die Angehörigen der staatlichen Organe ebenso erfreuen können wie die politische Klasse des Landes, die in den vergangenen Jahren durch zahllose Korruptionsskandale von sich reden machte. Überall in Buenos Aires kleben Plakate, auf denen etwa die Sängerin Mercedes Sosa oder der Schriftsteller Ernesto Sabato versprechen: „Ich werde Cabezas nicht vergessen.“