„Jeder Staat hat gleiche Chancen“

■ SPD-Währungsexpertin Christa Randzio-Plath (EU-Parlament) zum Euro

taz: Gehört Italien in die Währungsunion?

Randzio-Plath: Italien gehört auf jeden Fall in die Währungsunion, so wie alle EU-Länder. Nur muß Italien auch die Aufnahmeprüfung bestehen.

Teilen Sie die Befürchtungen der Bundesregierung, daß eine Teilnahme Italiens das Vertrauen vieler Bundesbürger in die Stabilität des Euro schwächen würde?

Das ist ein weitverbreitetes Gefühl in der Bevölkerung. Hier müßte man aufklären, welche Anstrengungen Italien in den letzten Jahren unternommen hat. Die Kandidaten stehen erst fest, wenn die Haushaltsdaten für 1997 und die Planungen für 1998 und 1999 vorliegen. Wichtig ist nicht nur, daß ein Staat die Kriterien zu einem Stichtag erfüllt, sondern klarstellt, daß er dauerhaft solide haushalten will. Wenn man die letzten fünf Jahre ansieht, hat Italien nicht nur die Inflationsrate, sondern auch die Verschuldung deutlich gesenkt. Da tun wir manchmal den Italienern unrecht.

Laut EU-Kommissar Yves- Thilbault de Silguy soll den Finanzmärkten eine entscheidende Rolle bei der Auswahl der Euro- Kandidaten zukommen.

Auf den Finanzmärkten geht es manchmal zu wie im Spielkasino. Diesen Märkten sollte nicht eine so zentrale Entscheidung zukommen.

Sehen Sie die Gefahr, daß Italien oder Spanien durch gezielte Gerüchte an den Finanzmärkten aus der Währungsunion herausgeredet werden?

Diese Gefahr ist immer gegeben, genau wie die Auf- oder Abwertung einer Währung vielfach provoziert werden kann. Ich hoffe, daß etwa eine plötzliche Schwankung am Stichtag durch eine politische Entscheidung korrigiert wird, die sich an der langfristigen Entwicklung orientiert.

Aus der Umgebung von Finanzminister Theo Waigel wird gelegentlich gestreut, daß Italien noch nicht reif sei.

Ich halte solche Äußerungen für unverantwortlich. Wir sind eine Europäische Gemeinschaft, in der jedem Staat gleiche Chancen gewährt werden müssen.

Werden die Stabilitätskriterien für den Euro nicht übertrieben? Wären Mindeststandards bei Umweltschutz und sozialer Sicherheit nicht wichtiger?

Das hat nichts mit der Währungsunion zu tun. Ich möchte, daß die EU eine Sozial-, eine Umwelt- und eine Steuerunion wird. Aber man sollte das eine nicht vom anderen abhängig machen.

Sie kritisieren, daß die Rolle des Europaparlaments bei der Währungsunion nicht gewahrt ist. Was läuft falsch?

Daß Regelungen wie der Stabilitätspakt am Europaparlament vorbei entschieden werden. Wir haben zwei Verordnungen vorliegen, in denen sich die 15 Regierungen vorbehalten, die Details in einer Entschließung des Ministerrates zu regeln. Bei solchen Entschließungen wird das Parlament nicht einmal angehört.

Wie wollen Sie das verhindern?

Wir brauchen klare Vereinbarungen zwischen Europaparlament und Ministerrat. Man muß dafür nicht gleich den Maastrichter Vertrag ändern.

Welche Änderungen fordert das Europaparlament beim Stabilitätspakt?

Offiziell heißt er Stabilitäts- und Wachstumspakt. Wir fragen uns, wo in der ganzen Regelung etwas zum Wachstum steht. Außerdem spaltet der Pakt von Noordwijk den Binnenmarkt. Länder, die beim Start dabei sind, können ihr Defizit etwas überziehen. Später dagegen soll die Drei-Prozent- Höchstgrenze strikt gelten. Das kann den Abstand zwischen den Ländern, die drin sind und denen, die rein wollen, vergrößern.

Wollen Sie den Stabilitätspakt weicher formuliert haben?

Nein, aber der Maastrichter Vertrag läßt beim Eintritt in die Währungsunion Spielräume für Ausnahmen zu. Das ist angesichts der Konjunkturschwankungen vernünftig. Aber Konjunkturschwankungen wird es auch während der Währungsunion noch geben. Deshalb müssen die Beurteilungsspielräume für Haushaltsdefizit und Staatsverschuldung auch nach 1999 noch gelten.

Interview: Alois Berger