Theo Waigel hat seine Kreditlinie ausgeschöpft

■ Bundesfinanzminister mußte im ersten Quartal des Jahres fast 40 Milliarden Mark leihen. SPD fordert Nachtragshaushalt. Debatte im Finanzausschuß am Mittwoch

Berlin (taz) – Veräppelt kommen sich mittlerweile die Mitglieder des Haushaltsausschusses in Bonn vor. Denn schon im ersten Quartal des Jahres ist klar, daß Finanzminister Theo Waigel seinen Haushalt 1997 nicht einhalten wird. In Waigels Kasse klaffe bereits jetzt ein Loch von 39,7 Milliarden Mark, rechnet Karl Diller, Haushaltsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, vor. Knapp 40 Milliarden Mark habe sich Waigel in den ersten drei Monaten auf dem Kapitalmarkt geliehen. Damit habe der Finanzminister die vom Parlament zugestandene Kreditlinie für 1997 fast erreicht. Der Bundestag hatte Waigel 53,4 Milliarden Mark neue Kredite für das laufende Haushaltsjahr zugestanden. Zusätzlich verfügt er über Ermächtigungen aus vorangegangenen Jahren.

Im vergangenen Jahr hatte Waigel dieselben Schwierigkeiten. Am 15. März verhängte er daher eine Haushaltssperre. Die jedoch brachte nur vier Milliarden Mark Einsparungen. Wie im vergangenen Jahr fordert die SPD daher einen Nachtragshaushalt. Und wie im vergangenen Jahr sind inoffiziell auch Haushaltspolitiker der Koalitionsparteien der Meinung, daß einzig ein Nachtragshaushalt vor der Sommerpause eine seriöse Haushaltsführung ermöglicht. Am Mittwoch wird Waigel im Haushaltsausschuß mit den Abgeordneten über den SPD-Antrag für einen Nachtragshaushalt debattieren. „Da muß er Tacheles reden“, sagte Diller gestern zur taz. Das „Prinzip Hoffnung“ habe ausgedient. Die SPD läßt zur Zeit außerdem von einem Verfassungsrechtler prüfen, ob Waigels Haushalte verfassungskonform sind. Laut Grundgesetz darf die Kreditaufnahme die Summe der Investitionen nicht überschreiten. Dieses Ziel hat Waigel im vergangenen Jahr nicht erreicht.

Der CDU-Abgeordnete Peter Rauen forderte am Wochenende zur Konsolidierung des Haushalts eine weitere Kürzung der Sozialausgaben. Der stellvertretende Vorsitzende des Finanzausschusses rechnet für 1997 mit einem Haushaltsloch von 20 Milliarden Mark. Wenn die Sozialausgaben um 1,2 Prozent gekürzt würden, hätte Waigel das Geld wieder in der Kasse.

Der Finanzminister geht jedoch weiter von einem Acht-Milliarden-Mark-Loch aus. Daran werde sich bis zur Jahressteuerschätzung Mitte Mai nichts ändern, sagte sein Sprecher gestern. Man könne nicht vom Defizit des 1. Quartals auf das Defizit des ganzen Jahres 1997 schließen. Ulrike Fokken