Verbot und Gegendemo

■ Künast: Öffentlichen Raum verteidigen

In rechtsextremistischen Kreisen existiert schon seit Jahren ein veränderter Text des sogenannten Deutschlandliedes. Die dritte Strophe lautet: „Ja die Roten und die Grünen, machen es uns wirklich leicht: Was die CDU verwehrte, haben wir jetzt schnell erreicht! Wenn wir erst zur Urne schreiten, mit dem Wahlzettel in der Hand, Deutschland, Deutschland über alles, bald gehört uns dieses Land.“

Anders als dieser bedrohliche Liedtext ausdrückt, könnte ein Blick auf die Zahlen des organisierten Rechtsextremismus, die leicht rückläufig sind, scheinbar beruhigen. Man wählt die rechtsextremen Parteien nicht zahlreich. Aber: Die Strategie hat sich verändert. Spontan agierende Gruppen erfüllen nicht die Kriterien eines Parteien- oder Vereinsverbots. Schon lange hat die Neue Rechte darüber hinaus eine gesellschaftliche Öffnung betrieben und eine Vernetzung mit den Konservativen erreicht. Dermaßen die Lufthoheit über den Stammtischen erreicht zu haben, genügt ihnen indes nicht. Auch der „öffentliche Raum“ wird von ihnen „besetzt“. Wer durch die Straßen geht, soll sehen und hören, daß sie da sind. Demos und ihre medienmäßige Begleitung vorher und nachher sind Symbole der „Besetzung“ des öffentlichen Raums. Die Aufgabe, in diesem Sinne den 1. Mai zu organisieren, obliegt offensichtlich den „Jungen Nationaldemokraten“. Obwohl in Berlin nur etwa zwanzig Mitglieder stark, verfügen sie über ein bedeutend stärkeres Mobilisierungsfeld.

Die JN erfüllen alle Kriterien des Rechtsextremismus. An deren Verlautbarungen gepackt, ist die Polizei aufgefordert, notfalls für einen Aufmarsch am 1. Mai ein Verbot auszusprechen. Zwar muß ein Rechtsstaat Verbote jeder Art äußerst restriktiv handhaben, denn sie sind kein Mittel der Verhinderung oder Eindämmung. Aber: Rechte haben ihre Grenze, und die ist dort, wo die anderer Menschen massiv mißachtet werden. Wenn die Polizei eine Demonstration der Rechtsextremisten nicht verbietet oder ein Verbot gar durch die Verwaltungsgerichte aufgehoben wird, bleibt nur eines: Gegenmobilisierung.

Den öffentlichen Raum aufzugeben, hieße zu akzeptieren, daß zunehmend Menschen Angst haben, sich in bestimmten Regionen zu bewegen, hieße auch auszuweichen. Die Devise kann nur heißen: Auf die Straße! Denen Mut machen, die gegen alle antiegalitären Ansätze kämpfen wollen. Denen, die sich fürchten, ein wenig Unterstützung geben. Renate Künast,

Bündnis 90/Die Grünen