Hitler als Gimmick

■ Wie das italienische Magazin "L'Espresso" versucht, mit Filmen von Leni Riefenstahl seine Auflage zu steigern

Einen Film von „schrecklicher Schönheit“, ein „Meisterwerk“ mit dem „Führer“ und anderen „Nazigrößen von Göring bis Hess“ kündigte das Wochenmagazin L'Espresso in der Tageszeitung la repubblica an. Am Tag darauf war die so vollmundige Zeitschrift für 9.900 Lire (etwa zehn Mark) im Handel – inklusive eines Videos von Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“, dem in Deutschland indizierten Film über den Nürnberger Reichsparteitag der NSDAP von 1935. Der Propagandastreifen war freilich nur der Auftakt zu der großen „Riefenstahl- Kollektion“ von L'Espresso, die letzten Freitag mit dem Olympia- Epos „Fest der Völker“ fortgesetzt wurde. Wem Riefenstahls heroisierte Sportler nicht zusagen, kann L'Espresso wahlweise auch mit Filmen aus der „Sergej-Eisenstein- Reihe“ haben: zum Beispiel mit „Alexander Nevskij“, „Oktober“ oder „Panzerkreuzer Potemkin“ – je nach ideologischer Interessenlage.

„Ich bin nicht einverstanden mit der Gleichstellung, die L'Espresso vornimmt zwischen Eisenstein, einer moralisch tadellosen Figur, und Leni Riefenstahl, von der gleichzeitig mit großem Werbeaufwand die Kassetten vertrieben werden“, wendet sich Tullio Kezich, Filmkritiker der größten italienischen Tageszeitung Corriere della Sera, gegen die Verkaufsaktion von L'Espresso, die zeitgleich mit der Eröffnung einer Ausstellung über Leben und Werk Leni Riefenstahls in Rom startete. Auf Einladung der Stadt ist die umstrittene und mittlerweile 94jährige Regisseurin eigens in die italienische Hauptstadt gereist. Für Kezich die falsche Person am falschen Ort: „Ich fand die offizielle Einladung der Kommune nicht opportun. Rom wird von einem linken Stadtrat geführt, der unter anderem einen Repräsentanten im Beobachterkomitee des Prozesses gegen den SS-Hauptmann Erich Priebke verlangt hat.“

Aus Leni Riefenstahls Hitler ein Gimmick zu basteln, ist typisch für die italienische Presse, die mit allen möglichen Zutaten um Leser wirbt: Eingeschweißte Bücher, CDs und CD-ROMs sind seit Jahren beliebte Beigaben. Stefano Semenzato, Senator der Grünen, hält diese kommerzielle Logik für „schädlich“, weil sie bei den großen Zeitschriften „Unfähigkeit, wahre Kultur zu produzieren“, hervorrufe. Folglich gebe es einen Rückfall in die Gleichgültigkeit, der nicht akzeptabel sei, schließlich stünden Zeitschriften auch für eine bestimmte Kultur: „Diese Riefenstahl-Kollektion ist im Grunde nichts anderes als die Suche nach Sensationshascherei um jeden Preis.“

L'Espresso selbst hatte die umstrittene Aktion in einem längeren Artikel über Leni Riefenstahl mit der Begründung legitimiert, daß Hitlers Lieblingsregisseurin mehr nach dem Hörensagen als durch „direkte Erfahrung“ kritisiert werde. Deshalb sei die Aktion wichtig und biete dem Publikum „ein historisches Dokument von faszinierender und schreckenerregender Wichtigkeit“. Zudem sei Leni Riefenstahl „eines der großen Genies“ der Filmgeschichte. Cyrus Salimi-Asl