■ Kommentare Spanien zwischen Achsenmächten und Alliierten
: Offen nach zwei Seiten

Das Geschäft mit dem Nazigold wirft über 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs einmal mehr die Frage nach der Rolle der neutralen Länder auf. Spanien unter Diktator Francisco Franco ist einer der Staaten, bei denen noch immer nicht das ganze Ausmaß ihrer Kollaboration geklärt ist. Zum einen, weil bis heute nicht alle offiziellen Dokumente ausgewertet wurden, zum anderen, weil viele Unterlagen ganz einfach aus dem Archiv des Madrider Außenministeriums verschwunden sind. Eines immerhin steht fest: Spaniens Politik während des Zweiten Weltkriegs hat – wie die der meisten anderen neutralen Staaten auch – ihre Licht- und Schattenseite.

Das Land jenseits der Pyrenäen stand die ganzen Jahre über verfolgten Juden offen, viele spanische Diplomaten in den besetzten Ländern setzten sich für die bedrängte jüdische Bevölkerung ein, statteten sie mit den nötigen Dokumenten aus. Rund 30.000 Juden entkamen so dem sicheren Tod in den Konzentrationslagern. Auch wenn bis heute kein einziges Dokument aufgefunden wurde, aus dem Francos persönliche Einstellung zum Asyl für verfolgte Juden hervorginge, ist unwahrscheinlich, daß all das ohne Wissen des Staatschefs geschah. Diesbezüglich hat sich die Diktatur in Spanien mehr um die Menschenrechte verdient gemacht als die Demokratien in den USA, Großbritannien oder der neutralen Schweiz.

Auf der anderen Seite stand Franco klar in der Tradition der Achsenmächte, mit deren Unterstützung er den Bürgerkrieg gewonnen hatte. Keine wichtige Ansprache verging, in der er nicht gegen die „jüdisch-freimaurerische Verschwörung“ wetterte. Franco hielt am antisemitischen Diskurs auch dann noch fest, als ein Teil der katholischen Bischöfe Spaniens begann, die Naziideologie und den Holocaust zu verurteilen.

Francos Verbindungen zu Hitler-Deutschland hielten bis Kriegsende, als Spaniens Grenze einmal mehr offenstand: dieses Mal für Nazikriegsverbrecher, auf der Flucht vor rechtlicher Verfolgung durch die Alliierten. Neutral? Nein, neutral war Spanien unter Franco ganz sicher nicht. Der Diktator verstand es, sich geschickt nach allen Seiten abzusichern: Er stand treu zu den Achsenmächten – allerdings ohne dabei die Alliierten aus den Augen zu verlieren. Es war genau dieser Widerspruch, der viele Juden vor dem Holocaust rettete. Carlos Schorr

Der Autor ist Vorsitzender des Verbandes der Jüdischen Gemeinden Spaniens.