: Das Kläffen der Provinz
■ Bosnier-Abschiebung: Bonn und Länder uneins
Verteidigungsminister Rühe soll sich gefälligst um die eigenen Hausaufgaben kümmern und ansonsten die Klappe halten. Außenminister Kinkel ist ein dummer Rotzlümmel, der „leichtfertig und unverantwortlich schwätzt“. Eine „Mordssauerei“. Mit harschen Tönen kanzeln die Innenminister von Bayern und Berlin die Bonner Minister Rühe und Kinkel ab. Dabei haben beide nur gemacht, was Experten seit Monaten tun: Sie haben den Innenministern wegen ihrer Abschiebepolitik nach Bosnien die Leviten gelesen – inhuman sei die, konzeptlos, stabilitätsgefährdend.
Jetzt kläffen die gescholtenen Innenminister zurück – anmaßend im Ton, in decouvrierender Selbstüberschätzung der eigenen Position als „kleine“ Länderminister gegenüber den Bundesministern. Kinkel und Rühe haben – im Gegensatz etwa zu Berlins Innensenator Schönbohm – immerhin schon mal einen Fuß auf bosnischen Boden gesetzt und gesehen, welchen Flurschaden die deutsche Abschiebepolitik anrichtet. Die aggressive Reaktion der Länderminister verrät denn auch eher die nervöse Gereiztheit dessen, der im Unrecht ist. Wie bockige Kinder wehren sie sich gegen das Eingeständnis, daß sie seit einem Jahr ihre Hausaufgaben verschlurrt haben. Unbelehrbar halten sie an unsinnigen Kriterien für die Rückführung fest, sperren sich gegen die Einsicht, daß ausgerechnet die Deutschen, Meister perfekter Organisation, an diesem Punkt nur perfektes Chaos produzieren, und sehen „keinen Anlaß“, ihr gescheitertes Rückführungskonzept durch die Einberufung einer Sonderkonferenz auf den Prüfstand zu stellen.
Die Krönung im Trauerspiel liefern dabei die Sozialdemokraten. Kein Wort der Kritik an Schönbohm, Beckstein und Co, keine Rückendeckung für Kinkels und Rühes mahnende Worte. Um „die gemeinsame Flüchtlingspolitik“ nicht zu gefährden, hält man die Reihen fest geschlossen mit der CDU. Das einzig Gemeinsame an dieser Flüchtlingspolitik ist, daß sie diesen Namen gar nicht verdient und daß sie nichts kosten darf – weder planerische Arbeit, Phantasie noch Geld. Auf Bundesebene geht die SPD zum Thema bosnische Flüchtlinge regelmäßig auf Tauchstation, auf Länderebene ducken sich die Sozialdemokraten feige hinter den Hardlinern weg. Vera Gaserow
Bericht Seite 2
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen