„Keine Scheidung in Sicht“

■ Vince Clark von Erasure über Musik-Ehen, Pop-Tempo und Street-Credibility

Als Vince Clark 1981 in einer englischen Kleinstadt mit ein paar Schulfreunden die Gruppe De-peche Mode gründete, war seine größte Motivation, nicht mehr als Packer in einer Fabrik arbeiten zu müssen. Sein künftiger Job: Synthesizern und Sequenzern mitsingbare Electro-Pop-Hits zu entlocken. Zwar verließ der unscheinbare Glatzkopf Depeche Mode schon nach einem Album und hielt es auch mit Alison Moyet als Yazoo nicht lange aus. Doch mit dem Sänger Andy Bell und Erasure ging sein Plan von einer eigenen Hitfabrik statt Fabrikarbeit endlich auf. Seit elf Jahren dudelt der süßliche Gay-Pop von Erasure nun schon durch alle Radio-Formate, und daß sie mit Cowboy nun eine neue Platte veröffentlicht haben, fällt kaum auf, denn neu klingt Cowboy beileibe nicht.

taz: Was macht einen guten Pop-Song aus?

Vince Clark: Du mußt dich an ihn unter der Dusche erinnern und ihn dort singen können! Wir schreiben höchstens ein Stück pro Tag und verbringen daran nie länger als eine Stunde. Danach hören wir auf, denn es kann dann nicht mehr gut werden. Die besten Songs sind die schnellsten.

Wieso hast du es mit Erasure schon so viel länger als mit deinen vorherigen Bands ausgehalten?

Es dauert eben, bis man die richtige Person gefunden hat. Das ist genauso, wie wenn du jemanden zum Heiraten suchst. Das Wichtigste ist, daß die Beziehung innerhalb der Band auch eine Freundschaft ist. Das muß vor allen anderen Dingen stehen, denn wenn du zusammen ein Stück schreibst, setzt du dem anderen dein Inneres aus. In meinen bisherigen Bands stimmte die Chemie einfach nicht. Andy und ich sind sozusagen verheiratet, auch wenn wir nicht zusammen leben. Und es ist keine Scheidung in Sicht. Ich denke, daß wir immer zusammen arbeiten werden.

Dabei ward ihr ja nicht von Anfang an erfolgreich.

An unserem ersten Album haben wir ungefähr ein Jahr lang gearbeitet und gar nichts daran verdient. Wir waren wirklich zutiefst enttäuscht. Ich glaube, wenn du für etwas hart kämpfen mußt, weißt du es schließlich auch mehr zu schätzen.

Was hat sich seitdem geändert?

Als wir bei Mute, unserer Plattenfirma, anfingen, gab es noch keine Marketing-Konferenzen und keinen Promotion-Apparat. Ich halte das alles für verschwendetes Geld und verschwendete Zeit. Es ist doch nur Musik und nicht mehr.

Ärgert es dich, daß ihr trotz Millionenverkäufen von niemandem, der sich mit Musik beschäftigt, richtig ernst genommen werdet?

Das ist in Ordnung. Aber es ist tatsächlich so. Wir besitzen als Band überhaupt keine Credibility. Es ist definitiv nicht cool, Erasure zu hören, und niemand würde je zugeben, von uns beeinflußt worden zu sein.

Fragen: Timo Hoffmann

Fr, 25. April, 20 Uhr, Sporthalle