: Ein rabiater Edel-Obdachloser als Futter für die Schadenfreude
■ Axel Schneider inszeniert Silvio Huonders höhnische Rache an den Perfekten, Schneller Wohnen, im Altonaer Theater
Wer alles richtig macht, soll es auch nicht immer leicht haben. Die Perfekten plagt nämlich ein großes Problem: Sie machen sich schnell unbeliebt.
Wituschinski, Professor für Kunstgeschichte, zählt zu dieser Spezies der legitimen Haßobjekte. Intelligent ist der Mann, gutbetucht, energisch, und die besten Beziehungen im Gepäck hat er auch. Mit Freundin Steffi will er nach Hamburg ziehen. Die standesgemäße Behausung ist natürlich schon organisiert. Eine traumhaft renovierte Altbauwohnung soll es sein, mit all dem schnieken Zeugs, das die Welt nicht braucht, Wituschinski aber schon.
Da taucht ein kleines Hindernis auf: Der Schlüssel paßt nicht. Der professorale Plunder steht auf dem Bürgersteig, und Wituschinski setzt alle Hebel in Bewegung, um sein Recht auf Terrakotta-Fliesen durchzudrücken. Aber wen er auch von seinen guten alten Freunden einschaltet, alles läuft schief. Zwischen Bezirksamt, Maklerinnung und Hausbewohnern entfesselt der rabiate Edel-Obdachlose ein Chaos aus Intrigen, das ihn wieder zum Anfang zurückbringt, vor seine Wohnungstür.
Silvio Huonders Stück Schneller Wohnen, das ab Samstag im Alto-naer Theater zu sehen sein wird, ist vor allem eine Komödie. Aber eine böse, die fast schon ins Groteske reicht, sagt Theaterchef Axel Schneider, der bei dem Stück Regie führt. Ein perfider Mechanismus soll hier in Gang gebracht werden: die Identifikation mit einem Ekel-Paket. Der Professor wird zum Opfer, und die haben bekanntlich die Sympathien auf ihrer Seite.
Doch der bemitleidenswerte Intrigant hat nun mal selbst schuld. Obwohl hier nicht noch eine Satire auf die versiebten Ideale der 68er inszeniert werden soll, spielt das Stück mit der Thematik. Von der Maklerin bis zum Bezirksbürgermeister – Wituschinski muß erleben, wie alte Freundschaften zu Seilschaften und die zu Lippenbekenntnissen werden.
Gegen die omnipräsente Klassiker-Verliebtheit will Axel Schneider antreten und ein unbekanntes Stück auf eine große Bühne bringen. Die Produktion ist relativ aufwendig. Sieben große Rollen plus Statisten werden aufgeboten, um dem Publikum ein paar große Schlucke aus dem Pappbecher der Schadenfreude zu gönnen.
Peinlich wird es den Perfekten, wenn sie dort landen, wo andere schon längst sind: auf der Straße vor einer verschlossenen Tür.
Barbora Paluskova
Premiere: Sa, 26. April, 20 Uhr, Altonaer Theater
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen