Kirchenstreit im Krankenhaus

■ Pastor darf homofeindliche Schriften nicht mehr auslegen

Der evangelische Klinikseelsorger Werner Heyer darf Broschüren, die Homosexualität als krankhaft darstellen, nicht mehr im Auguste-Viktoria-Krankenhaus verbreiten. Dies entschied die Klinikleitung, nachdem sie am Montag durch die Beschwerde einer Patientin erfahren hatte, daß Heyer die Schriften vor seinem Büro in der Klinik ausgelegt hatte.

In einem der Traktate wird Homosexualität als „krankhafter“ und „veränderbarer, neurotischer Zustand“ beschrieben. In einem anderen wird die wachsende Toleranz der evangelischen Kirche gegenüber Lesben und Schwulen als „bedrückendes Beispiel theologisch-ethischer Verantwortungslosigkeit“ bezeichnet. Herausgeber sind unter anderem die „Bekenntnisbewegung Kein anderes Evangelium“ und „Christen in der Offensive“.

Der Leiter der Aids-Station, Manfred L'Age, hat Heyer bereits vor sechs Jahren untersagt, die Station zu betreten. Die Auseinandersetzung über Homosexualität müsse innerhalb der Kirche geführt werden, er könne nicht zulassen, daß dieser Jahrhunderte alte Kirchenstreit auf der Station ausgetragen werde, sagte L'Age. Er wies die in den Broschüren vertretene These, daß es sich bei Homosexualität um eine „Persönlichkeitsstörung“ handle, als „absurd“ zurück. Die Schriften seien auf dem Stand des 19. Jahrhunderts. In einem Fall habe sich ein schwuler Patient davon so verletzt gefühlt, daß er in Weinkrämpfe ausgebrochen sei, sagte L'Age. „Das möchte ich auf jeden Fall verhindern.“

Der 53jährige Heyer, der seit 23 Jahren als Pastor im Auguste-Viktoria-Krankenhaus arbeitet, ist auch in Kirchenkreisen umstritten. Die Leiterin der evangelischen Krankenhausseelsorge, Heidi Walsdorff, sagte laut „Evangelischem Pressedienst“, daß Aids-Patienten eine vorurteilsfreie Betreuung brauchten, weil sie in einer gesellschaftlich diskriminierenden und isolierten Situation lebten.

Der Pressesprecher der evangelischen Kirche, Reinhard Stawinski, sagte gestern, es handle sich mit Sicherheit nicht um offizielle Publikationen der evangelischen Kirche. Heyers Position werde nicht von der Landeskirche geteilt. Lesben und Schwule gehörten zur Kirche wie jeder andere. Heyer selbst verglich das Vorgehen gegen ihn mit der Inquisition. win