: Testfall für künftige Terrorangriffe
■ Beim Bombardement Gernikas probte die deutsche Luftwaffe schon ihre Taktik für den Zweiten Weltkrieg
Hätte es noch eines Beweises bedurft, wie wenig „bewältigt“ das Kapitel Verbrechen der deutschen Wehrmacht ist, der Streit um die Bewertung des Bombenangriffs der „Legion Condor“ auf Gernika am 26. April 1937 liefert ihn. Bis in die jüngsten Tage wogt der Historikerstreit, ob diese militärische Großtat, bei der mindestens 1.000 Zivilisten ums Leben kamen, von höchster Stelle geplant oder der „Improvisation“ der beteiligten Piloten zu danken gewesen sei – als ob im zweiten Fall die „deutschen Waffen“ irgend besser dastünden.
Noch heute weisen Piloten es weit von sich, nichtmilitärische Ziele angegriffen zu haben. „Vielleicht waren das die Italiener, das war ja ein unzuverlässiger Haufen“, spekulierte der Legion-Veteran Herbert Hampe im Juli letzten Jahres. Die Überlebenden von Gernika kommen zu einem etwas anderen Ergebnis. Konnte man, fragen sie, eine ganze Stadt zerstören, aber das angebliche Ziel, eine für die baskisch-republikanischen Truppen wichtige Brücke, systematisch verfehlen? War es wirklich unerheblich, daß Gernika mit seiner Freiheitseiche für die Identität der baskischen Nation eine überragende Rolle spielte, seine Zerstörung deshalb exakt in Francos zentralistische Politik paßte?
Für die Nazi-Wehrmacht war Spanien ein Versuchsfeld zur Erprobung von Waffen und Menschen. Was dort getestet wurde, kam in den Blitzkriegen nach 1939 zum Einsatz. Gernika war eine Avantgarde-Untat, ihr folgten Coventry und Rotterdam. Wer diese Reihenfolge außer acht läßt, soll über Dresden schweigen.
Obwohl das Bombardement völkerrechtswidrig und ein Kriegsverbrechen nach damaligem Recht war, hatten Piloten und Befehlshaber später in der Bundesrepublik nichts zu befürchten. Sie durften ihre Kameradschaftstreffen abhalten. Offizieren wurde die Zeit ihres Einsatzes auf die Pension, Wehrpflichtigen auf die Rente angerechnet. Die Bundeswehr benannte zwei Kasernen, ein Jagdgeschwader und einen Lenkwaffenzerstörer nach Werner Mölders, einem „Legionär“ und späteren „Helden“ der deutschen Luftwaffe. Sie verhinderte eine Städtepartnerschaft zwischen Gernika und Wunstorf, auf dessen Fliegerhorst die Bomberpiloten ausgebildet worden waren. Die Angehörigen der „Legion Condor“ waren für die Zeit ihres Einsatzes formell aus der Wehrmacht entlassen und kämpften als „Freiwillige“. Aber es gab auch die wirklich Freiwilligen, die in den Reihen der Internationalen Brigaden auf seiten der Republik kämpften. Sie erwartete nach 1945 in Deutschland ein bitteres Schicksal. In der Bundesrepublik blieb ihnen Entschädigung, selbst Anrechnung ihrer Jahre als Interbrigadisten auf die Rente verwehrt, wenn sie Kommunisten waren und ihrer Überzeugung nicht abschworen. In der DDR erhielten Spanienkämpfer eine relativ gut dotierte Rente. Allerdings nur, wenn sie mit den realsozialistischen Wölfen heulten, was ihnen angesichts der jahrelangen Diffamierung der Interbrigadisten als Abweichler und Spione sicher nicht leicht gefallen ist. Ein letzter Trost: das den Internationalen Brigaden in Berlin- Friedrichshain gewidmete Denkmal bleibt der Nachwelt als „künstlerisch wertvoll“ erhalten. Die „Spanische Allee“ in Berlin-Zehlendorf, die nach dem Einsatzland der „Legion Condor“ benannt ist, allerdings auch. Christian Semler
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