Bahn fahren, Rapid zahlen

■ Ein neues Konzept soll den Transrapid retten. Nach Willen der Bundesregierung übernimmt die Bahn AG den Bau der Magnetschwebebahn. Baukonzerne verabschieden sich vollends von dem Projekt, ihre Aktien steigen

Berlin (taz) – Und sind die Zahlen noch so schlecht, der Transrapid wird trotzdem gebaut. Ab dem Jahr 2005 soll die Schwebebahn zwischen Hamburg und Berlin über die Stelzen fahren. Dies mußte Verkehrsminister Matthias Wissmann gestern eilig verkünden, nachdem die drei Bauunternehmen Holzmann, Hochtief und Bilfinger & Berger aus dem Magnetbahn-Konsortium ausgestiegen sind.

Um das von Gegnern als „Milliardengrab“ bezeichnete Unternehmen Transrapid noch zu retten, scharrten sich auch Thyssen-Chef Dieter Vogel, Siemens-Boß Heinrich von Pierer und Noch-Bahn-Chef Heinz Dürr um den Verkehrsminister. Die drei Unternehmen sind die letzten Verbliebenen in der Transrapid-Planungsgesellschaft. Geführt werden soll das Projekt Transrapid nun von der Staatstochter Deutsche Bahn AG. Hinzu kommen wird Adtranz, eine gemeinsame Tochter der Daimler-Benz AG und Asea Brown Boveri (ABB).

Die Herrschaften aus Politik und Wirtschaft stützen sich auf eine seit Monaten unter Verschluß gehaltene Wirtschaftlichkeitsuntersuchung des Transrapid. Die Gutachter von zwei Unternehmensberatungen kommen darin zu dem Schluß, daß „der Transrapid trotz einiger Abweichungen von den Ausgangszahlen vor Beginn der Planungsphase verwirklicht werden kann“. Das sagte Wissmann gestern. Der Segen für die immer noch positiv gerechneten Zahlen kommt von politisch höchster Stelle: Kanzler Helmut Kohl und Finanzminister Theo Waigel haben dem Konzept zugestimmt. „Das beweist die verhängnisvolle Verfilzung von Politik und Wirtschaft“, sagte dazu Gila Altmann, Verkehrsexpertin der Bündnisgrünen im Bundestag.

Thyssen, Siemens und Adtranz müssen zusammen lediglich 500 Millionen Mark in eine Finanzierungsgesellschaft einzahlen, die von der Deutschen Bahn AG angeführt wird. Die Gesamtkosten beziffert die Bunderegierung zur Zeit mit 6,1 Milliarden Mark für den Bau. Hinzu kommt das Betriebssystem, das den Bund noch einmal 3,7 Milliarden Mark kosten soll. Das sind zehn Prozent mehr als bei der letzten Studie 1993.

Das Risiko des Projekts Transrapid bleibt jedoch beim Bund und damit beim Steuerzahler. Denn erst wenn die Privatunternehmen ihre Kosten wieder in der Kasse haben, müssen sie Erlöse an den Bund abführen. „Im ungünstigsten Fall beginnt die Rückzahlung der Mittel an den Bund erst nach vollständiger Tilgung des Kredits“, sagte Wissmann gestern. Zur Zeit rechnet er damit, daß ab 2010 der Transrapid mindestens 709 Millionen Mark einfährt. In einem günstigeren Szenario stellt er sogar 947 Millionen Mark in Aussicht. Denn noch immer rechnen Wissmann und die Privatunternehmer mit 11,4 bis 14,4 Millionen Fahrgästen im Jahr.

Die neue Führung unter der Deutschen Bahn AG hat die Bunderegierung von langer Hand vorbereitet. Anfang des Jahres wurde bekannt, daß im Mai der langjährige Kanzleradlatus im Wirtschaftsministeriums, Johannes Ludewig, neuer Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG wird. Ludewig gilt als wirtschaftspolitischer Einflüsterer von Kanzler Kohl. Der langgediente Beamte in verschiedenen Bonner Ministerien ist zudem der eigentliche Architekt des Aufbau Ost. Wann immer in den neuen Bundesländern ein Unternehmen verkauft wurde, bedroht war oder ein Investor zickte – Ludewig reiste an und sorgte für Abhilfe.

Mit der Bahn AG als Konsortialführer „verschleiert die Bundesregierung, daß der Bund das ganze Risiko des Transrapid trägt“, sagte Gila Altmann gestern zur taz. Mit den anstehenden Milliardenverlusten werde der geplante Börsengang der Bahn AG hinfällig und damit auch die Bahnreform hintertrieben. Ulrike Fokken

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