Löw muß noch was lernen

Die Gladbacher verspielen endgültig den Uefa-Pokal, aber auch der VfB Stuttgart kann mit dem 1:0-Erfolg nicht viel anfangen  ■ Aus Mönchengladbach Thomas Lötz

Während der in Selbstdarstellung geübte Präsident des VfL Borussia Mönchengladbach einem ihm geneigten Kreis von Journalisten verkündete, welch armselige, unwürdige, an Verweigerung grenzende Leistung er bei seiner Mannschaft im gerade vergangenen Bundesligaheimspiel gegen den VfB Stuttgart ausgemacht hatte, saß am anderen Ende des Presseraums im Bökelbergstadion und von weitaus weniger Journalisten belagert Joachim Löw, der Trainer des VfB, rauchte eine dieser ästhetisch fragwürdigen, langen Light- Zigaretten und sprach: „Irgendwie war es sicher ein verrücktes Spiel. Ich bin ja auch noch ein sehr junger Trainer, aber wenn das so weitergeht, werde ich wohl schnell alt.“

Damit offenbarte Löw gleich zweifach, daß er von solchen ausgewiesenen Medienriesen wie beispielsweise Herrn Drygalski vulgär-analytisch noch was lernen kann. Denn erstens war es kein irgendwie verrücktes, sondern ein vollkommen durchgeknalltes Spiel. Und zweitens: Was denkt der Stuttgarter Trainer denn wohl, was das eigentlich für ein Job ist, den er da jetzt nach langem Gezeter endlich in Festanstellung ausüben darf, und warum Kollegen wie Ottmar Hitzfeld in den letzten drei Jahren zumindest optisch um dreizehn Jahre gealtert sind.

Joachim Löw hätte sich mal beobachten sollen. Zuerst betrat er im dezenten dunklen Sakko den Platz. Nach einer Weile entledigte er sich seines Oberteils, obwohl die Außentemperaturen dazu keinen Anlaß gaben. In der 90. Spielminute stand er schreiend an der Außenlinie und beobachtete, wie seine Mannschaft ihren letzten Angriff fuhr. Und als der erst im Winter aus Reutlingen gekommene junge Einwechselstürmer Sreto Ristic den Ball dann VfB-untypisch aus kurzer Distanz über die Linie des Gladbacher Tores lakonisch zum 1:0-Sieg einstocherte, da brach alles aus Joachim Löw heraus, und die Frage muß erlaubt sein: Verhalten sich so ausgeglichen entspannte Menschen?

Wahrscheinlich nicht, wenngleich man sagen muß, daß beide Mannschaften es ihren Trainern schwermachten. Wenn der Kollege Bongartz, der ja eher als recht ruhiger, geradezu umgänglicher Vertreter seiner Zunft bekannt ist, seine schönsten Zitate anbringt, dann ist er „stark verärgert. Und das ist bei mir mehr als Enttäuschung.“ Sein Team habe Symptome gezeigt wie schon unter seinem Vorgänger, der ja bekanntlich Bernd Krauss hieß und wegen dieser Symptome entlassen wurde. Das mache er nicht weiter mit. Und auch wenn Bongartz nicht erklären wollte, was diese Symptome seien, so muß es wohl um die Einstellung einzelner Spieler gehen – oder um das Problem, wen es wann auszuwechseln gilt. Was ja eigentlich das Problem des Trainers wäre, aber wer Martin Dahlin bei einer solchen Leistung nicht schon zur Halbzeit vom Platz nimmt, baut wohl darauf, daß auch der Gegner das Tor nicht treffen will. Und das hätte man fast glauben können, soviel Chancen ließen die Stuttgarter aus. Und als Joachim Löw in der 67. Minute den schwachen Giovane Elber für den späteren Torschützen Ristic vom Feld nahm, dachten fast alle aufgrund seiner Leistung. Die Gladbach- Fans dachten noch ein bißchen weiter: „El-ber ist 'ne Ba-yern- Sau!“ Tatsächlich jedoch litt der zukünftige Münchener unter einer Steißbeinprellung und hatte vor dem Spiel eine schmerzlindernde Spritze erhalten, deren Wirkung im Verlauf des Spiels nachließ.

Riesenchanchen ausgelassen, einen grandiosen Auswärtssieg verpaßt und gerade so eben noch drei Punkte eingefahren: Um was spielt der VfB Stuttgart in den letzten fünf Wochen noch? Joachim Löw: „Wir haben natürlich noch eine Chance, deutscher Meister zu werden. Aber wenn alles normal läuft, werden wohl Bayern oder Leverkusen Meister.“ Sollten Spiele wie Gladbach gegen Stuttgart unter das Gesetz der Normalität fallen, dann hat Joachim Löw entweder bewußt untertrieben oder noch einiges zu lernen.

VfB Stuttgart: Wohlfahrt - Haber, Soldo (73. Lisztes), Berthold - Hagner, Buck, Balakow, Schwarz, Gilewicz (77. Djordjevic) - Elber (67. Ristic), Bobic

Zuschauer: 34.000

Tor: 0:1 Ristic (90.)

Mönchengladbach: Kamps - Paßlack, Hubert Fournier (37. Nielsen), Andersson, Schneider - Hochstätter, Effenberg, Pflipsen, Wynhoff - Dahlin, Pettersson (77. Mori)