Ein Brief an Europa im Namen Faradsch Sarkuhis

■ Ehefrau des im Iran gefangenen Autors an EU-Außenminister: Mykonos-Urteil muß politische Folgen haben. Irans Außenminister Welajati: „Wir sind unbesorgt“

Berlin (taz) – Wenn morgen in Luxemburg die EU-Außenminister über die zukünftige Form des „kritischen Dialogs“ mit Iran beraten, wird sie vor der Tür ein Mensch an den eigentlichen Anspruch dieser Kontakte erinnern: Farideh Sebardschad, Ehefrau des im Iran festgehaltenen Schriftstellers Faradsch Sarkuhi, will mit einem Transparent dafür sorgen, daß das Schicksal des verhafteten Regimekritikers nicht in Vergessenheit gerät.

„Mein Mann Faradsch Sarkuhi ist seit dem 3. November 1996 in den Händen des iranischen Geheimdiensts. Sein Aufenthaltsort ist mir nicht bekannt“, schreibt Farideh Sebardschad in einem vorab veröffentlichten offenen Brief an die EU-Außenminister. „Er sitzt im Gefängnis, weil die deutsche Regierung im Fall ,Mykonos‘ unter Druck gesetzt werden sollte. Nun ist das Urteil gesprochen.“

Nach dem Urteilsspruch sei sie um das Leben ihres Mannes „sehr besorgt“. Und im Hinblick auf eine künftige EU-Haltung zum Iran: „Sie, die EU-Außenminister, werden darüber beraten, ob Sie den ,kritischen Dialog‘ noch retten können. Ich bitte Sie, darüber das Schicksal meines Mannes nicht zu vergessen.“

Die „Wirtschaftsmacht Europa“ verfüge „über genügend Mittel, sich gegenüber einer brutalen Regierung zu behaupten“. Nur wenn Europa „in Fragen der Menschenrechte konsequent bleibt und die Menschlichkeit nicht Wirtschaftsinteressen opfert, haben die iranischen Intellektuellen noch Hoffnung“.

Die EU-Außenminister treffen sich morgen erstmals seit dem Urteil im Berliner Mykonos-Prozeß, um ihre künftige Iran-Politik zu koordinieren. Faradsch Sarkuhi war im November 1996 in Teheran festgenommen worden, als er versuchte, seine in Deutschland lebende Frau und zwei Kinder zu besuchen.

Im Dezember wurde er kurzfristig freigelassen, jedoch im Januar wieder verhaftet. In einem aus dem Iran geschmuggelten Brief äußerte Sarkuhi den Verdacht, ihm solle ein Prozeß gemacht werden, um zu verhindern, daß im Berliner Mykonos-Verfahren Irans Staatsführung beschuldigt werde. Dennoch klagte das Berliner Kammergericht Irans Staatsführung – auch Außenminister Ali Akbar Welajati – an, den Mordauftrag persönlich gegeben zu haben.

Bundesaußenminister Klaus Kinkel erklärte nach dem Urteil, der „kritische Dialog“ sei „auf absehbare Zeit“ unterbrochen, wirtschaftliche und politische Kontakte blieben jedoch unangetastet.

Die Nachrichtenagentur Reuter zitierte Ende letzter Woche den Chefpressesprecher des Bonner Auswärtigen Amtes, Martin Erdmann, mit den Worten: „Der Dialog wurde genau deswegen eingerichtet, um über schwierige Fragen mit dem Iran zu sprechen, einschließlich der Menschenrechte. Wenn wir den Dialog aussetzen, können wir nicht erwarten, daß der Iran diese Angelegenheiten weiter mit uns diskutiert.“ Auf taz-Anfrage bezeichnete Erdmann die Darstellung als „verkürzt“. Den Wortlaut dementierte er jedoch nicht.

Irans Außenminister Welajati erklärte gestern: „Wir haben keine Erwartungen an die EU-Konferenz am Dienstag. Die EU-Außenminister können entscheiden, was sie wollen, wir sind in keiner Weise besorgt.“ Thomas Dreger