Maßregelung von SFB-Redakteur scharf kritisiert

■ SPD, Grüne und PDS fordern in Rundfunkratssitzung die Rücknahme der Teilsuspendierung nach Landowsky-Interview. Eingriff in Pressefreiheit bemängelt

Im Rundfunkrat des Senders Freies Berlin (SFB) haben die Vertreter von SPD, Grünen und PDS gestern gefordert, daß die teilweise Suspendierung des Abendschau- Redakteurs Wolfgang Kandeler zurückgenommen werden müsse. Darauf drängt auch der Redakteursausschuß des SFB, wie ein Mitglied des Gremiums erklärte. Der Ausschuß halte die Teilsuspendierung für unverhältnismäßig und nicht akzeptabel. Kandeler war von seinem Posten als verantwortlicher Redakteur entbunden worden, nachdem CDU-Fraktionschef Klaus Rüdiger Landowsky sich bei Fernsehdirektor Horst Schättle über ihn beschwert hatte.

Landowsky war am Sonntag als Gast in das Abendschau-Studio eingeladen worden, um über die CDU-Klausurtagung auf Rügen zu berichten. Vor der Sendung traf er unverhofft auf SPD-Fraktionschef Klaus Böger, der sich ebenfalls zu den CDU-Beschlüssen äußern sollte. Landowsky war aufgebracht, weil er über Bögers Anwesenheit nicht vorab informiert worden war, und drohte zunächst, nicht aufzutreten. Kandeler, der Landowsky nicht mehr erreicht hatte, entschuldigte sich bei dem CDU-Politiker persönlich. Dennoch wurde Kandeler auf Veranlassung von Schättle vom zuständigen Abteilungsleiter „ermahnt“. Sein Verhalten entspreche nicht „Stil und Praxis des öffentlich- rechtlichen Rundfunks“. Auch SFB-Intendant Günther von Lojewski erklärte, er sei sich mit Fernsehdirektor Schättle einig, daß es sich um einen „Verstoß gegen journalistische Grundregeln“ handle.

Der Sprecher der SPD-Fraktion, Hans-Peter Stadtmüller, wies darauf hin, daß nach der SPD- Klausur in Cottbus Landowsky Gelegenheit hatte, die SPD-Beschlüsse zu kommentieren. Zwei Tage vor der Sendung habe er SFB-Abteilungsleiter Horstmeier vorgeschlagen, aus Gründen der Fairneß diesmal Fraktionschef Böger Gelegenheit zur Bewertung der CDU-Beschlüsse zu geben.

SPD-Rundfunkrat Sander forderte gestern, der starke Einfluß der CDU auf den SFB müsse abgestellt werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse parteiungebunden berichten.

Die medienpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Alice Ströver, wertet die Abmahnung Kandelers als „Versuch, die letzten Journalisten, die noch nicht auf Linie sind, mundtot zu machen“. Der Eingriff in ihre journalistische Freiheit sei „unsäglich“. „Anstatt ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen und den Redakteur vor direkter Einflußnahme in Schutz zu nehmen, machen die Herren aus der Chefetage einen feigen Kotau vor der CDU.“ Die PDS-Abgeordnete Eva Müller erklärte, das Absetzen mißliebiger Redakteure erinnere an die undemokratischen Methoden, die in der DDR üblich gewesen seien. Ein Beschluß des Rundfunkrates hätte allerdings nur empfehlenden Charakter.

Kandeler war bereits im April vergangenen Jahres in die Kritik geraten, nachdem er aus Anlaß des 20jährigen Geburtstags des Palastes der Republik den DDR-Propagandisten Karl Eduard von Schnitzler zum Interview eingeladen hatte. win