Der Chef der staatlichen Wiener Kontrollbank, Gerhard Praschak, hat sich erschossen. In Abschiedsbrief und hinterlassenen Notizen erhebt er bittere Anklage gegen das traditionsreiche System politischer Kumpanei im Bankengeschäft Österreichs

Der Chef der staatlichen Wiener Kontrollbank, Gerhard Praschak, hat sich erschossen. In Abschiedsbrief und hinterlassenen Notizen erhebt er bittere Anklage gegen das traditionsreiche System politischer Kumpanei im Bankengeschäft Österreichs.

Das brisante Testament des Bankers

Tatort Kontrollbank in der Wiener Innenstadt. In der Nacht zum Sonntag richtete Gerhard Praschak, einer der bestbezahlten Finanzmanager Österreichs, in seinem Dienstzimmer eine Smith & Wesson gegen den Kopf und drückt ab. Er stirbt sofort. Neben ihm liegt ein fünfseitiger Abschiedsbrief, der die Motive für den Freitod offenlegt und zugleich als Anklageschrift gegen ein System verfaßt wurde, dem Praschak selbst seine Bilderbuchkarriere zu verdanken hatte.

1991 mit 40 Jahren zum Vorstandsdirektor der staatlichen Kontrollbank avanciert, hatte Praschak mehrere Karrierestufen übersprungen. Der ehemalige Vorsitzende des Sozialistischen Studentenverbandes (VSStÖ) in Oberösterreich war Anfang der 80er Jahre vom damaligen Finanzminister Ferdinand Lacina von der Nationalbank wegengagiert worden, wechselte dann als wirtschaftspolitischer Berater ins Büro von Kanzler Franz Vranitzky und wurde von dort in den mit umgerechnet 700.000 Mark Jahresgehalt dotierten Vorstandsposten der Kontrollbank gehievt. Die Kontrollbank ist unter anderem für die Exportfinanzierung und die Abwicklung von Exportgarantien zuständig. Seine Kompetenzen teilte Praschak mit dem von der christdemokratischen ÖVP gestellten Johannes Attems.

Auslöser für die Tat war offenbar die Bestellung des im Januar zurückgetretenen Kunst- und Verkehrsministers Rudolf Scholten zum dritten Vorstandsdirektor der Kontrollbank. Scholten hätte Praschak nicht nur Kompetenzen streitig gemacht, sondern ihn politisch völlig an die Wand gespielt. Selbst die Ehrenfunktion als Präsident der Berner Union, eines informellen Zusammenschlusses internationaler Export-Garantie-Institute, hätte er abgeben müssen. Der erfolgreiche Banker Praschak fühlte sich „von Freunden im Stich gelassen und als Schachfigur, die hin und her geschoben wird“.

„Dr. Scholten erklärt mir“, so heißt es in einem handschriftlichen Gedächtnisprotokoll, das Praschak zusammen mit 120 Seiten weiterer Unterlagen vor seinem Freitod an die Oppositionsparteien und einige Medien geschickt hatte, „daß ich zur Kennis nehmen müsse, daß wir nicht in London oder New York lebten, wo die Performance ausschlaggebend sei. Gewisse Dinge seien so kompliziert, daß man sie einem Politiker eben nicht erklären könne. Da er Minister gewesen sei, laufe dies eben so. Er rate mir nochmals, mich dem massiven Druck der Politik nicht zu widersetzen. Ich müßte mir dann die Frage gefallen lassen, ob ich dann noch tragbar wäre.“

Diese Intrige hat dem erfolgsgewohnten Manager offenbar so zugesetzt, daß er keinen Ausweg mehr sah. Das Vermächtnis Praschaks, das die Oppositionspolitiker Montag nacht sichteten, enthält massive Vorwürfe gegen Bundeskanzler Klima, Altkanzler Vranitzky, Finanzminister Edlinger und Bank-Austria-Chef Gehard Randa, die den Politschacher ausgehandelt haben sollen. Es birgt aber auch Hinweise, die so brisant sind, daß Heide Schmidt, die Vorsitzende des Liberalen Forums, die Papiere schnurstracks an die Staatsanwaltschaft weiterleitete. So ist von verdeckten Gewinnausschüttungen von 20 Millionen Mark die Rede, die von der Kontrollbank am Finanzamt vorbei an ihre Aktionäre – darunter die Großbanken Bank-Austria, Creditanstalt und Bawag – ausgeschüttet haben. Ferner gibt es Hinweise auf Risiokoübernahmen, die der Kontrollbank-Vorstand für problematisch hielt. In staatlichen Kreditinstituten fallen die Entscheidungen eben nicht auf rein sachlicher Grundlage, sondern auch nach politischen Kriterien, manchmal auch zugunsten von bestimmten Personen, die von den großen Parteien SPÖ und ÖVP protegiert werden.

Für Jörg Haider, dessen Freiheitliche Partei vom Proporzsystem der Nachkriegszeit wegen damaliger politischer Bedeutungslosigkeit ausgeschlossen ist, dient die Affäre als weiterer Beweis für seine These von der Fäulnis des Systems: „Das ist wie bei der Mafia, wo der Pate die Anweisungen gibt und sich alle Spieler danach zu richten haben. Das ist das Sittenbild des roten Hochadels und der schwarzen Schildknappen, die sich die Republik aufgeteilt haben.“

Rudolf Scholten gab sich erschüttert und beteuerte, das Gespräch, auf das sich die Protokolle beziehen, sei durchaus „amikal“ verlaufen. Franz Vranitzky erklärte, sein Entsetzen über den Freitod seines ehemaligen Privatsekretärs sei „um so größer“, als er noch am Freitag ein ausführliches Telefongespräch mit ihm geführt habe, in dem nicht die geringsten Anzeichen von Verzweiflung erkennbar gewesen seien. Auch Gerhard Randa, der mächtigste Banker Österreichs, seit die Bank-Austria sich im Januar die Creditanstalt einverleibte, hat „für den Freitod Praschaks keinerlei Erklärung“. Eine unerlaubte Gewinnausschüttung hätte es nie gegeben.

Indessen dreht sich das Personalkarussell weiter. In den nächsten Wochen steht ein Wechsel an der Spitze der Postsparkasse und der Investkredit, einer Spezialbank für langfristige Investitionsförderung, an. Die anstehende Fusion der Investkredit mit der Kotrollbank, bei der Praschak eine wichtige Rolle spielen wollte, wird dann einen neuen Postenschacher auslösen. Ralf Leonhard, Wien