Und wer bitte kann Haare schneiden?

In der Zeit der Massenarbeitslosigkeit erlebt der Tauschhandel ein Revival – FriseurInnen und HandwerkerInnen aber sind rar  ■ Von Karin Flothmann

Ob zu Schwarzmarktzeiten oder im Realsozialismus – wenn bezahlte Arbeit knapp ist, behelfen sich die Menschen mit Tauschhandel. So wie heute, zu Zeiten der Massenarbeitslosigkeit. Tauschen ist wieder in. Getauscht wird nicht nur Ware, sondern auch Arbeit. Seit gut einem Jahr sorgen Tauschringe in Hamburg dafür, daß jeder arbeiten darf, der will. Geschichtenvorleserinnen bieten sich vorlesemüden Eltern an, Christine kürzt Jeans, Computerfreaks möchten Edv-Kenntnisse vermitteln.

Allerdings passen Angebot und Nachfrage nicht immer auf Anhieb zusammen. „Zu Anfang waren wir ein kleiner Intellektuellenverein", erzählt Theda Strempel vom „Mottenmarkt“, dem Tauschring in Ottensen. Handwerkliches fehlte gänzlich, war aber begehrt. „Ziemlich schnell war dann auch die Spiri-Szene bei uns.“Seither tummeln sich Intuitive Massagen und Hypnosetherapien im Mottenmarkt. Mittlerweile bieten rund 80 Mitglieder ihre Dienste an, darunter längst auch Renovierhelfer oder Elektrobastler.

Angebot und Nachfrage sind dabei nicht selten recht geschlechtsspezifisch: „Kleine Reparaturen im Haushalt“, so Theda Strempels Erfahrung, „werden fast immer von alleinstehenden Männern angeboten. Im Gegenzug suchen die dann jemanden, der bügelt“.

Pro Arbeitsstunde werden beim „Mottenmarkt“zwanzig „Motten“verbucht, egal, ob für Kopf- oder Handarbeit, ob für Babysitting oder Rasenmähen. Letztlich sind zwanzig „Motten“jedoch so viel wert wie zwanzig Mark. Die werden aber nie ausgezahlt, sondern bleiben auf dem Mottenkonto, bis sie gegen eine andere Dienstleistung ausgetauscht werden.

Frust kommt allerdings dann auf, wenn Angebot und Nachfrage nicht übereinstimmen. In Ottensen etwa wird dringend eine talentierte Freizeitfriseuse gesucht. Die fehlt auch in Winterhude. Hier herrscht ein Überangebot an WinWord-Einführungen, erzählt Delia Möller vom Winterhuder TauschRausch.

Gut 200 Mitglieder zählt die Winterhuder Tauschbörse inzwischen, und damit ist sie die größte unter den rund 15 Tauschringen der Hansestadt. In Burgwedel tummeln sich seit einem Jahr 28 Mitglieder, bei den TauschTaktikerInnen in Altona-Nord sind es 47, und St. Georg kommt gerade mal auf sechs.

Daß es in Winterhude so gut läuft, liege sicherlich auch am heterogenen Stadtteil, sagt Delia Möller: Zwar sind die meisten TauschRauschler zwischen 30 und 40 Jahre alt, das gesamte Altersspektrum reicht jedoch von 20 bis 65. Auch beruflich gesehen kommt in Winterhude eine gute Mischung zustande: Ein Drittel der Mitglieder arbeitet Vollzeit, ein weiteres Drittel Teilzeit, der Rest sind StudentInnen, Hausfrauen, Arbeitslose.

Die Tauschbörse in Wilhelmsburg hat ganz andere Erfahrungen gemacht. 16 Mitglieder zählt sie bisher. Das, so meint Dieter Boxberger, liege vermutlich auch an der Struktur des Stadtteils. „Für Tauschringe muß man im Kopf flexibel sein“, meint der Sozialhilfeberater. Ausländer und Arbeitslose seien in dieser Hinsicht wohl nicht so aufgeschlossen.

Extrem unaufgeschlossen gegenüber den Tauschaktivitäten zeigte sich übrigens die Hamburger CDU. Kaum hatten sich die ersten Tauschringe vor anderthalb Jahren in Hamburg gegründet, startete die CDU eine Anfrage an den Senat: Sie witterte „illegale Beschäftigung“, „Schwarzarbeit“und „Steuerhinterziehung“. Der Senat aber stellte klar, daß es sich bei „Gefälligkeiten“oder „Nachbarschaftshilfe“eindeutig nicht um den „Tatbestand der Schwarzarbeit“handele. Auch steuerrechtlich sei nichts einzuwenden.