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Panikmache und Drohgebärden

■ betr.: „Kritik an Schönbohms Mul tikulti-Angst“, taz vom 26./27. 4. 97

[...] Schönbohm fürchtet sich offenbar vor Überfremdung und sieht seine deutsche Kultur in die Enge getrieben, obwohl diese „deutsche“ Kultur zweifellos überall dominiert: im Kulturhaushalt, in Schule und Ausbildung, an den Universitäten, erst recht in der Justiz und auch in den Parlamenten kann von Überfremdung keine Rede sein. Oder sollte der Kultursenator neuerdings zehn Prozent seines Haushalts den EinwanderInnen zur Darstellung ihrer Kultur zur Verfügung stellen? Hat die Schulsenatorin beschlossen, zehn Prozent ihres Etats für die Muttersprachen der Einwandererkinder zu verwenden? Werden neuerdings in den Gerichten Urteile auf der Grundlage der islamischen Scharia gesprochen? All diese Vorgänge müssen sich offenbar jenseits der parlamentarischen Kontrolle abgespielt haben.

Herr Schönbohm hält an einem Begriff des Nationalstaates fest, der am Beginn des 21. Jahrhunderts schlicht unzeitgemäß geworden ist. In dieser Vorstellung wird ein Volk gleicher ethnischer Herkunft phantasiert, das eine Sprache spricht und in einem Reich lebt. Und selbst wenn solche Völker und Staaten im Völkergemisch Europa nicht existieren, wird diese Vorstellung weiterhin gepflegt, da sie den Auserwählten, zu denen Herr Schönbohm zählt, den Vorrang garantiert: „Die deutsche Lebenswelt und Kultur haben Vorrang.“

Herr Schönbohm erwartet Anpassungsleistungen von Einwanderern und Einwanderinnen, und denjenigen, die sich dem verweigern, wird gedroht: Wer seinen „Beitrag“ zur Integration nicht leiste, könne aufgefordert werden, die Straße der Einwanderung in umgekehrter Richtung zu verlassen, was bedeutet: Er kann ausgewiesen werden.

Die von Herrn Schönbohm geforderte „umsichtige Integrationspolitik“, die von „gegenseitiger Toleranz und Achtung getragen“ werden soll, kann ich in diesem Beitrag nicht erkennen. Was ich sehe, sind Panikmache und Drohgebärden. Riza Baran, MdA,

Fraktion B'90/ Die Grünen

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