Der Ernst- als Glücksfall

■ Unsere Jungs in Bosnien: "Die Friedensmission - 30 Stunden Angst", ein Bundeswehrkrimi gegen die Verzweiflung auf der Hardthöhe (20.15 Uhr, Pro7)

Wenn sie zum Beispiel ihre Mützen und Kappen und, ja, auch die Stahlhelme verkehrtrum tragen würden, den Schirm nach hinten und vorn nur so eine Strähne in die Stirn gekampelt, also der verschärfte ghetto chic – die Soldaten der Bundeswehr könnten einiges gutmachen an Akzeptanz. Aber wenn sie schon rein modemäßig so wenig auf dem Quivive sind, wie soll das je was werden mit den Jungs?

Ohne diese legendären Kampftrinkerfahrten im Interregio sonntagabends von Aachen nach Pinneberg – „Kameraden, ein Lied!“ brüllt der eine Schnurrbartträger mit dem bereits bedenklich nach vorn gesackten Bauch, den er noch während des Grundwehrdienstes auf zwei Zeitsoldatenjahre verpflichtet hat, worauf dann alle einstimmen in das trauliche „Komm raus, du schwule Sau!“ und ähnlich erfrischendes Volksvermögen – wenn es also nicht dieses allzu kurze gesellige Beisammensein in der Bundesbahn gäbe, es ginge doch längst keiner mehr zur Bundeswehr.

Finsterste Verzweiflung auf der Hardthöhe. Spätnachmittags wollen manche Volker Rühe schon beobachtet haben, wie er die Kampffliegerbrille abnahm und sich verstohlen eine Träne aus dem linken Augenwinkel wischte. Diese Zivilisten konnten ja so gemein sein! Die Verachtung, die einem ständig von Figuren wie Blüm und Waigel entgegenschlug! Hätte die Bundestruppenbeauftragte Claire Mariendorf nicht in letzter Minute Einspruch erhoben, die PR-Kampagne für die Jungs hätte mit der Parole „Ja. Saufen“ geworben.

Und dann ganz unverhofft dieses Glück, der Ernstfall oder wenigstens eine Friedensmission. Mit dreitausend anderen darf der deutsche Junge neuerdings auf einen verlängerten Wandertag nach Bosnien und hoffen, daß es bald losgeht, daß der Serb sich mopst oder der Bosniak einen schlechten Tag hat, damit man ihm mal beibringen kann, wie gut man in der Bundeswehr den Frieden gedrillt hat.

Aus diesem Wehrkraftertüchtigungsprogramm Jäger 97 stammt auch der abgeschlossene TV-Roman „Die Friedensmission“. Sein Autor heißt ungelogen J. Wahnfried Betz, und hier ist die Geschichte: Ungereimtheiten bei einer Patrouille, Tote, schlimmer Verdacht. Die Moral vertritt Feldprediger Babel (Rudolf Kowalski), er lehnt es nämlich ab, eine Waffe zu benutzen, und, siehe da, er schafft es, weil er wenigstens eine Wange hinhält. Eine „von der Bundesregierung“ eingeladene „Journalistin“ droht mit „Enthüllungen“. Damit es nicht allzu männlich zugeht, ist auch noch eine Stabsärztin dabei (Nina Kronjäger).

Sonst spielt das ganze Knallchargen-Personal mit, das derzeit die deutschen Fernsehserien bevölkert. Die Chefs schauen autoritär zerknittert drein, der Paster besorgt, die beiden aus Proporzgründen zugelassenen Frauen feldmarschmäßig ungeschminkt. Der Einheimische trägt vorzugsweise Schlapphut, den er abzieht, wenn er mit dem weißen Massa spricht. Nur Uwe Bohm hat einen Kopf, den man sich wird merken müssen: geschoren wie ein Skinhead, glattrasiert wie für den Einsatz am nächsten Kegelabend und in jedem Fall ein durchschlagender Erfolg für die Friedensmission.

Bloß die depperte Tarnkappe, also das sieht einfach nicht aus. Willi Winkler