Mehr Druck auf Kabila

Die Kritik am Umgang der zairischen Rebellen mit den ruandischen Flüchtlingen reißt nicht ab  ■ Von François Misser

Brüssel (taz) – Die Vorwürfe gegen die Rebellen der „Allianz der Demokratische Kräfte zur Befreiung Kongo-Zaires“ (ADFL) werden immer lauter. Immer mehr Zeugen bezichtigen die Allianz, Massaker an ruandischen Hutu- Flüchtlingen begangen zu haben. Am 28. April berichtete ein Korrespondent der Herald Tribune von den Aussagen eins jungen zairischen Rebellen, dessen Aufgabe es gewesen sein soll, Flüchtlinge zu jagen und zu töten.

Die Rebellen verweisen darauf, daß die Mehrheit dieser Flüchtlinge ehemalige Soldaten und Hutu-Milizen des ruandischen Habyarimana-Regimes vor 1994 gewesen seien. Aber etwa auf die 52 unterernährten Kinder, die nach Angaben von Unicef in der vergangenen Woche aus einem Krankenhaus in Lwiro, 30 Kilometer nördlich von Bukavu mit unbekanntem Ziel verschleppt worden waren, trifft das sicher nicht zu. Erst gestern wurden sie wieder freigelassen.

Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ prangert in einem Bericht die „Jagd auf Menschen“ durch die Rebellen in den Regionen von Bukavu und Shabunda ebenso an wie die Morde, die nichts mit den Kämpfen zu tun haben und deren Opfer auch Kinder und Frauen sind.

Diplomaten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sind mittlerweile davon überzeugt, daß die Tutsi-Soldaten der Rebellenallianz von Laurent Kabila bewußt die Hilfsaktionen behindern. Ihr Ziel: Hunger und Krankheiten sollen diejenigen töten, die sie selbst nicht umbringen konnten.

Die Folge davon sind Spannungen zwischen Mitarbeitern der Hilfsorganisationen und dem Sicherheitsdienst der Rebellen, der von General Sikatenda geleitet wird: Wie die taz gestern erfuhr, erhielten die örtlichen Verantwortlichen des UNHCR in den vergangenen Tagen sogar Todesdrohungen, die sie davon abhalten sollten, Informationen über Massaker an offizielle Besucher der „befreiten Territorien“ weiterzugeben.

Inzwischen ist auch der ugandische Präsident Yoweri Museveni, der als Unterstützer der Rebellen gilt, auf Distanz zu Kabila gegangen. Zwar erklärte er sich dazu bereit, den Dialog zwischen EU- Kommissarin Emma Bonino und Kabila zu erleichtern, damit die EU-Hilfe die ruandischen Flüchtlinge erreichen könne. Gegenüber der Presse aber fragte er rhetorisch: „Herr Kabila, warum beschmutzen Sie Ihren Namen, indem Sie die Flüchtlinge nicht korrekt behandeln?“

Scharfe Kritik rief das Ultimatum Kabilas an die Hilfsorganisationen hervor, alle ruandischen Flüchtlinge innerhalb von nur zwei Monaten nach Hause zu bringen. Das UNHCR spricht mittlerweile von mindestens drei Monaten, die dafür nötig wären. Die USA bezeichneten das Ultimatum als „unvernünftig und wenig nützlich“. Kabila entging die wachsende Kritik nicht, und er stimmte der Rückführung per Flugzeug von 1.000 Flüchtlingen nach Ruanda am vergangenen Donnerstag zu.

Obwohl gerade US-Bergbaugesellschaften den größten Profit aus dem Vorrücken der Truppen Kabilas gezogen und weitreichende Bergbaukonzessionen erhalten haben, kritisiert gerade Washington die Menschenrechtsverletzungen der Allianz immer stärker. Und Kabila muß, so er denn die Nachfolge von Präsident Mobutu Sese Seko antreten will, jedes Interesse daran haben, daß die Rückkehr der noch lebenden ruandischen Flüchtlinge in geordneten Bahnen verläuft.

Zum international angeschlagenen Image Kabilas kommen auch interne Schwierigkeiten hinzu. Da ist etwa die Ermordung des Militärkommandanten der Allianz und Chef des Nationalrats des Widerstands für die Demokratie, André Kiase Ngandu, am 6. Januar dieses Jahres – offenbar durch Rivalen innerhalb der Rebellenorganisation. Kabila wird gezwungen sein, diesen Vorfall untersuchen zu lassen.