Absurdes Theater um das Jüdische Museum

■ Neuer Höhepunkt im Streit um das Jüdische Museum: Ein Verlag präsentiert eine Dokumentation, deren Titel die Vorgaben der Kulturbürokratie widerspiegelt

Erst vor ein paar Tagen machte die Meldung Schlagzeilen: Die Jüdische Gemeinde zu Berlin kündigt die Mitarbeit am sogenannten Jüdischen Museum auf. Sie protestierte damit gegen die Ende März erlassene Verwaltungsordnung, wonach es ein selbständiges Jüdisches Museum in Berlin nicht geben wird, sondern nur eine Hauptabteilung im Stadtmuseum Berlin.

Der Bruch zwischen der Kulturverwaltung und der Jüdischen Gemeinde wegen der finanziellen Autonomie, die die erstere Institution nicht will, während die zweite dies als Voraussetzung für eine kulturelle Autonomie begreift, markierte bis letzte Woche den Höhepunkt des absurden Theaters um die zukünftige Leitung des hochgelobten Libeskind-Baus. Man hätte es kaum für möglich gehalten, daß nach diesem Affront der Kulturbürokratie und ihrer Ankündigung, die Museumseröffnung auf September 1999 zu verschieben, weitere Höhepunkte möglich wären. Aber der Nicolai-Verlag machte es vor. Kürzlich präsentierte der auf Stadtgeschichte spezialisierte Verlag die 460 Seiten starke Dokumentation „Das Jüdische Museum im Stadtmuseum Berlin“. Da verrät schon der Titel, daß es bei der Dokumentation nicht um das Ringen eines autonomen Museums geht, sondern um eine Hinschreibung auf die genannte Verwaltungsordnung. Die beiden Autoren, Martina Weinland und Kurt Winkler, wiesen bei der Vorstellung ihres Buches den Verdacht, „tendenziös“ gearbeitet zu haben, zurück.

Obwohl der Band vom „Verein der Freunde und Förderer des Stadtmuseums in Berlin“ herausgegeben wird, also von den vehementesten Verfechtern derjenigen, die ein Jüdisches Museum organisatorisch in den Berliner Museumsverbund integiert sehen wollen, gehe es ihnen nur um eine „Versachlichung“ der emotionsgeladenen Debatte. Die Bereitstellung einer Chronik einschließlich ihrer 87 Dokumente müsse als „Angebot für einen Dialog“ verstanden werden. Da nickten die anwesenden Vorstandsmitglieder des Stadtmuseums-Freundevereins, vor allem der zukünftige neue Kulturstaatssekretär, Lutz von Pufendorf (CDU).

Ob der beschworene Dialog mit der Jüdischen Gemeinde und dem Stadtmuseum-Konkurrenzverein, nämlich der „Gesellschaft für ein Jüdisches Museum in Berlin“, zustande kommt, ist unklar. Die „Gesellschaft“ nutzte die Präsentation der Dokumentation, um erneut die Senatsplanung als „autoritär, undemokratisch und unter Ausschluß jeglicher jüdischer Beteiligung“ zu kritisieren.

Von der Jüdischen Gemeinde war niemand eingeladen worden, und auch der derzeitige Hauptabteilungsleiter des verwaltungstechnisch zum Anhängsel des Berlin- Museums degradierten Jüdischen Museums, Amnon Barzel, glänzte durch Abwesenheit. Eine Einladung hatte er erst zwei Tage vor der Präsentation erhalten. So blieb es Julius Schoeps, Gründungsdirektor des Jüdischen Museums in Wien, vorbehalten, Dialogbereitschaft über eine schon entschiedene Situation zu signalisieren. Die Haltung des Senats erinnere ihn an die Debatte über das „Holocaust-Mahnmal“. Erst schaffe man Fakten, dann wolle man diskutieren. Darüber sei die Jüdische Gemeinde zu Berlin zu Recht erbost. Im übrigen werde aber am 1. Juni das Gemeindeparlament neu gewählt, anschließend werde man das weitere Vorgehen beraten.

Da Schoeps mit Sicherheit in das Gemeindeparlament hineingewählt wird, heißt dies: Zwar moderat im Ton, aber hart in der Sache – der Streit um das Jüdische Museum wird weitergeführt. Und dies ist, zumal ja nicht feststeht, was Ende 1999 in diese „Hauptabteilung“ hineinsoll, nicht das Allerschlechteste. Anita Kugler