SPD sucht einen Tony Blair

■ Partei diskutiert Kurs und Programm

Hamburg (dpa/taz) – Nach dem überwältigenden Wahlsieg der britischen Labour-Partei ist in der SPD die Diskussion über Kurs und Programm der Partei in vollem Gange. Führende Sozialdemokraten verlangten am Wochenende, die Partei müsse sich rechtzeitig vor der Bundestagswahl 1998 stärker für moderne Technik und Zukunftsthemen sowie zur politischen Mitte hin öffnen.

Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder sagte Focus: „Wir müssen jetzt auf dem Hintergrund des Erfolgs von Blair die offene Programmfrage in der SPD lösen.“ Dazu seien Reformen notwendig: „Die SPD will gewinnen – deswegen wird sie begreifen, daß wir uns verändern müssen. Sonst ist die Gefahr zu groß, daß wir als unmodern abgeschrieben werden.“ Die SPD muß nach Auffassung Schröders „auch diejenigen erreichen, die wir mal als Besserverdienende bezeichnet haben“. Schröder betonte, die Partei müsse auch ihr Verhältnis zur modernen Technik neu definieren. „Wir haben jahrelang nur die Risiken des technischen Fortschritts diskutiert und nicht die Chancen. Das müssen wir umkehren: erst die Chancen, dann die Risiken.“

Die Juso-Vorsitzende Andrea Nahles sagte in einem taz-Interview, sie entdecke an Schröders Äußerungen nichts Interessantes. Dieser habe sich in den letzten zwei Jahren vielmehr „durch Tabubrüche an dem SPD-Programm hervorgetan und wenig konstruktive Vorschläge gemacht“.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis kritisierte den Zeitplan der SPD. „Der richtige Zeitpunkt für die Benennung des SPD- Kanzlerkandidaten könnte ja auch früher sein als das Frühjahr 1998“, sagte sie Bild am Sonntag. Nach Ansicht von Simonis kann die SPD vom britischen Labour-Vorsitzenden Tony Blair lernen, daß sich Mut zu neuen Themen und Lösungsvorschlägen auszahlten. Interview Seite 4

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