■ Nachschlag
: Tanz im Ballhaus: "mit den Brüchen gehen" von Christina Ciupke

Nachschlag

Tanz im Ballhaus: „mit den Brüchen gehen“ von Christina Ciupke

Läßt man einen Film am Schneidetisch rückwärtslaufen, entsteht ein merkwürdiger Effekt: Der Raum scheint plötzlich eine Sogwirkung zu entfalten, als ob er die Personen magnetisch anziehe. Ähnlich entsteht beim rückwärtigen Anlauf der Eiskunstläufer manchmal der Eindruck, als würden die Athleten den Luftraum in ihrem Rücken stauen, um dann im Sprung an ihm wie an einer Wasserwelle emporzugleiten. In beiden Fällen erhält der Raum unvermutet aktive Eigenschaften, wenn auch nur für Bruchteile von Sekunden.

Um solch minimale Verschiebungen der Wahrnehmung geht es in der Performance „mit den Brüchen gehen“ von Christina Ciupke und Manuela Fischer im Ballhaus Naunynstraße. Leinwände hängen wie Segel im Raum, und die Beleuchtung läßt ihre Schatten wandern. Die beiden Tänzerinnen breiten ihre Arme aus wie Antennen; die leichte Bewegung, die sie um ihre Achse pendeln läßt, mutet wie der Empfang von Wellen aus diesem Raum an. Sich nicht nur über den Gesichtssinn im Raum zu orientieren, sondern mit dem ganzen Körper, ist eine elementare Übung, die hier breiten Raum erhält.

Aber wenn man die Hoffnung auf mehr fast schon aufgegeben hat, ist es endlich soweit: Als würden Ciupke und Fischer sich nun auch gegenseitig auf ihren Radarschirmen erkennen, beginnen sie miteinander und umeinander zu kreisen, in die Energiewellen der anderen einzutauchen und sich wieder von ihr fortspülen zu lassen. In der Begegnung verdichtet sich die Kette der Bewegungsimpulse, schneller werden die Wendungen, in immer kleinere Segmente wird das Raumspektrum zerlegt. Dem könnte man, allmählich selbst in Trance versetzt, unentwegt zusehen wie dem Rollen der Spule beim Jojo; aber da ist der Abend nach 45 Minuten schon zu Ende.

Schon in ihrem letzten Projekt, „Raum wird Haut“, das Christina Ciupke zusammen mit der Fotografin Gisela Dilchert in aufgegebenen Schwimmhallen und Industriestraßen entwickelte, ging es um eine Aktivierung der Raumwahrnehmung. Tanz als Instrumentarium, Bestehendes zu beschreiben. Ein solches Konzept lebt von der Mitteilsamkeit der Orte. Das Kreuzberger Ballhaus aber gibt in „mit den Brüchen gehen“ zuwenig von seinen Geschichten der Sehnsüchte und des Vergessenwerdens preis. Katrin Bettina Müller

Bis 9.5., 21 Uhr, Ballhaus Naunynstraße (27)

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