Wie viele neue Müllöfen braucht das Land?

■ Entsorgungswirtschaft und Maschinenbaukonzerne wollen 30 neue Öfen bis 2005. Bedarfsprognosen aber unsicher, schon heute sind die Öfen nicht ausgelastet

Düsseldorf (taz) – 30 neue Müllverbrennungsanlagen braucht die Bundesrepublik bis zum Jahr 2005. Das meinen jedenfalls der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) und der Fachverband Dampfkessel-, Behälter- und Rohrleitungsbau (FDBR). Auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf stellten die beiden Industrieverbände am Montag ihre „Bedarfsabschätzung für den Zubau von thermischen Behandlungs- und energetischen Verwertungsanlagen“ vor.

Die 53 Müllverbrennungsanlagen, die gegenwärtig in Betrieb sind, und weitere 14 geplante Anlagen können im Jahr rund 14 Millionen Tonnen Müll bewältigen. Im Jahre 2005 werden aber, so ein Sprecher der Entsorgungswirtschaft, zirka 22 Millionen Tonnen Müll anfallen. Die „Behandlungslücke“ von acht Millionen Tonnen Müll im Jahre 2005 soll durch die 30 zusätzlichen Müllverbrennungsanlagen „geschlossen“ werden. 1994 wurden im gesamten Bundesgebiet noch 30 Millionen Tonnen nicht wiederverwertbarer Müll produziert.

Verschärft wird die Situation nach Ansicht der Verbände, weil im Jahr 2005 die Übergangsfrist der Technischen Anleitung Siedlungsabfall ausläuft. Danach werden für alle Mülldeponien in Deutschland strengere Richtlinien und Bauvorschriften gelten. „Um den Restmüll in einen ,erdkrustenähnlichen‘ Zustand zu überführen, ist eine der Ablagerung vorgeschaltete Behandlung erforderlich“, heißt es dazu in der Presseerklärung der Verbände. Nur durch Verbrennung können ihrer Meinung nach die strengen Auflagen der TA Siedlungsabfall nach 2005 noch erfüllt werden. Zum FDBR gehören Firmen wie Babcock, Noell, Lentjes und Steinmüller.

Besonderen Nachholbedarf sieht die Entsorgungswirtschaft in Ostdeutschland. Aber auch im westlichen Niedersachsen sowie in Teilen von Schleswig-Holstein gibt es noch keine Müllöfen. Insgesamt handelt es sich um einen Investitionsbedarf von acht bis zehn Milliarden Mark. Um 2005 einen „Entsorgungsnotstand“ zu vermeiden, fordern die Verbände, daß möglichst rasch mit den entsprechenden Planungs- und Genehmigungsverfahren begonnen wird.

In Fachkreisen ist jedoch die Verbrennung als Königsweg zu einer sicheren Deponierung des Mülls heftig umstritten. Einig sind sich die Fachleute nicht einmal darüber, ob die für 2005 geplanten Vorschriften tatsächlich den bestmöglichen Umweltschutz garantieren. „Die Deponierbarkeit von Müll läßt sich auch anders beschreiben, als es jetzt in der TA Siedlungsabfall steht“, stellt Günter Dehoust vom Öko-Institut in Freiburg fest.

Und es gibt Alternativen zur Müllverbrennung. Der Müll soll nach der Behandlung auf der Deponie nicht mehr ausgasen, und es dürfen keine Sickerwässer entstehen, die das Grundwasser gefährden. Dehoust: „Um das zu erreichen, kann man den Müll auch mechanisch-biologisch behandeln, bevor er deponiert wird. Man muß ihn nicht verbrennen.“

Sinnvoll wäre eine noch bessere Trennung des Mülls. Für einen Teil – zum Beispiel für Plastik – ist die Verbrennung zweckmäßig. Andere Müllsorten lassen sich besser mechanisch-biologisch bearbeiten. Zudem ist unklar, wieviel Müll 2005 tatsächlich anfällt. Das Fazit von Dehoust: „Die Müllverbrennungsanlagen sind schon heute nicht ausgelastet. Ein Ausbau der Kapazitäten ist überflüssig.“

Doch genau diese Politik fürchten die Entsorger. In ihrer Pressemitteilung heißt es: „Eine investitionsbereite Entsorgungswirtschaft fordert von Politik und Administration Verläßlichkeit und Konstanz beim Setzen der ordnungsrechtlichen Rahmen.“ Sollten Müllvermeidung, Mülltrennung und Müllbehandlung größere Fortschritte machen, könnte es sein, daß die Verbrennungspläne der Entsorger noch scheitern. Neue Technologien würden die Karten auch unter den Anlagenbauern neu mischen. U. Kerkow