Elfen im Zwielicht

Elementarpopulationen, Freyas Eigenheim und plötzlicher Tanzwahn: Wolfgang Müllers und Ogar Grafes „Elfenkongreß“ im Roten Salon  ■ Von Petra Kohse

Ein Hinweis von Angelika Obst gab dem Abend die entscheidende Wende: Menschen werden von Elfen „sozusagen für Götter“ gehalten, sagte Frau Obst und erklärte, daß Elfen, anders als wir, jeweils nur aus einem Element bestehen (Feuer, Erde, Wasser oder Luft) und daher auch keine unsterbliche Seele besitzen. Angelika Obst, die in Neukölln schamanische Mentalreisen-Seminare anbietet, nahm am Dienstag abend an der Expertendiskussion des Elfenkongresses im Roten Salon teil, und wer sich im Plenum zuvor seiner selbst nicht ganz sicher gewesen war, konnte sich nun zurücklehnen.

Denn wenn Elfen zu einer niederen, dem Menschen nicht weiter nützlichen Lebensform gehören, ist eine Beschäftigung mit ihnen auch über den Verdacht erhaben, nur esoterisches Mittel zur Erlangung persönlicher Vorteile im Daseinskampf zu sein. Elfenkontakt setzt keine drei Wünsche frei und verhilft auch nicht zu besonderen Kräften. Im Gegenteil ist eine Sensibilisierung für die Natur um ihrer selbst willen aus eigener Kraft notwendig, um durch die Elfen nicht zu Schaden zu kommen, wie aus dem einleitenden Diavortrag von Wolfgang Müller zu lernen war.

Müller, der den Elfenkongreß gemeinsam mit Ogar Grafe ausgerichtet hatte, ist Künstler, Journalist, Islandreisender und Elfenforscher. Er berichtete unter anderem von Hühnern einer florierenden Hühnerfarm in Island, die binnen weniger Tage das Eierlegen einstellten, weil geplant war, für den Ausbau der Farm einen von Elfen bewohnten Stein zu entfernen. Obwohl der metaphysischen Potenz des Menschen unterlegen, sind Elementarwesen also durchaus in der Lage, mittels eines Naturbannes ihre Interessen zu wahren.

Müllers Vortrag enthielt auch sonst allerhand Grundlegendes. Er referierte den Forschungsstand in punkto Vermischung von Zwergen und Elfen, wies darauf hin, daß der Klabautermann für seine Dienste in Seenot lediglich mit einem Schälchen Milch entlohnt werden will und demonstrierte das mutmaßliche Aussehen von Zwergen anhand einer Fotografie entsprechend verkleideter Kinder auf einem Treffen der Landsmannschaft der Ostpreußen im Jahr 1963. Nützlich zu wissen mag außerdem sein, daß Elfen nur wenige Zentimeter groß sind, in einer Monarchie leben, aber nicht über Elektrizität verfügen.

Der diagestützten Einleitung folgte die Expertendiskussion, an der außer Angelika Obst auch der Kunsthistoriker Peter Funken teilnahm; daran schloß sich ein Hörspiel an, zu dem Wolfgang Müller Heimatbilder von isländischen Elementarpopulationen einblendete. Klanglich reich, satt und klar gleichermaßen mit Natur- wie Straßenverkehrsgeräuschen untermalt, hat Müller isländische Schauspieler seine eigene Fassung der deutschen Übersetzung des „Thrymlieds“ von Úlfur Hródólfson sprechen lassen, in dem es um den Diebstahl von Thors Hammer durch einen Riesen geht („Sie gehen zu Freyas Eigenheim, wellblechverkleidet, doch sehr fein...“)

Überaus inspiriert gestaltete Ogar Grafe dann den Abschluß des Kongresses. In Bild und Ton faßte er die Erfahrungen des „Schöneberger Elfenrundganges“ zusammen, den er gemeinsam mit Müller im vergangenen Winter mehrfach durchgeführt hat. Zuvor war bereits die isländische Elfenbeauftragte Erla Stefansdottir von Müller dahingehend zitiert worden, daß sie ein Elfenvorkommen auch in Berlin für selbstverständlich halte. Der Reichtum des Elfenlebens, insbesondere in der Nähe der hügeligen und baumbestandenen Monumentenstraße, versetzte einige Kongreßteilnehmer dann aber doch in Erstaunen.

Von Wallinen, Fliedermaidas, Rabensteinelfen und sogar einer Kieselelfe berichtete Grafe, vom betörenden Gesang der Elfen, ihren berüchtigten „Ringen“, und daß einige am besten mittags und um Mitternacht zu beobachten sind, andere wiederum im Zwielicht. Interessant sind auch die Duftelfen, die sich gerne unter falschem Jasmin ansiedeln und Düfte imitieren, mit denen sie Menschen in einen Tanzwahn versetzen, den Grafe mit ausgestreckten Armen und gellenden Kieksern auch eindrucksvoll demonstrierte.

In diesem Zusammenhang erschloß sich später, auf der Heimfahrt, auch ein Vorkommnis auf dem U-Bahnhof Kottbusser Tor. Ein BVG-Angestellter, der möglicherweise ein Sträußchen falschen Jasmin neben seinem Mikrophon plaziert hatte, verwöhnte die Wartenden plötzlich mit einem fidelen „Jappadappadu“! Er selbst hätte sein Verhalten sicher kaum befriedigend erklären können, aber als Teilnehmerin des Elfenkongresses sieht man mit dem Herzen jetzt etwas besser.

Wieder am 13. 5. (mit Pal Oscar!), am 20./27. 5., 17./24. 6. und 1. 7., 20 Uhr, Roter Salon, Volksbühne