"Liebe taz..." Lieber streiten - betr.: Leserbriefe zum Lehrerstreik

Betr.: Dito

Da hatten wir also wieder mal eine der allseits beliebten und mit lnbrunst geführten Leserlnnenbriefschlachten auf den Bremer Lokalseiten. Es ist nicht notwendig, daß der Aufmacher „Das irdische Leben hat ein Ende“am 30.4.97 die einhellige Zustimmung der dargestellten Versammlung finden würde. Der Artikel schildert die Eindrücke einer außenstehenden Beobachterln, die sicherlich andere sein müssen, als die der versammelten PädagogInnen. Es gibt halt fundierte, dumme, kenntnisreiche, alberne, kleinkarierte, vielseitig und eindimensional recherchierte Beiträge von Journalistinnen ebenso wie von Philologlnnen. Darüber kann eine echauffierte Auseinandersetzung geführt werden – Leserlnnenbriefe & Kommentare seitenweise & wochenlang.

Und so sicher wie eine andere gebräuchliche Schlußformel taucht seit 18 Jahren in den Leserbriefspalten der taz dann die Keule der angedrohten Abo-Kündigung auf, als Schlag unter die Gürtellinie. Die vielleicht zu Recht wütende Kritik droht der unbotmäßigen Schreiberln gleich mit Schädeleinschlagen. Seit fast ebenso vielen Jahren kennen alle taz-Leserlnnen die immer wieder detailreich geschilderte finanzielle Stretch-Übung der taz-Macherlnnen zwischen Produktionskosten und Abozahlen. Jede Kündigung ist also Zeitungsmord auf Raten.

Wobei sich dann die Frage aufdrängt: Was für eine Zeitung wollen wir denn lesen? Eine, die uns den Morgenkaffee vergällt, indem sie uns Honig um's Maul schmiert bis es trieft und ansonsten in einem einschläfernden Meinungs-Einheitsbrei vor sich hin blubbert? Die meisten kennen wohl den klugen Satz der Frau Luxemburg über die Meinungsfreiheit. Die sachlich und emotional geführte Debatte über Meinungsverschiedenheiten bildet die Basis unserer Gesellschaft – Totschlagargumente erfüllen diese Funktion gar nicht.

Nele Herrmann (möchte gerne weiter übers taz-lesen streiten.)