Familien-Bande

■ Statt Mon Cherie: Muttertagsgrüße von den Spice Girls. Mit "Mama, I Love You" treten sie in die Fußstapfen Heintjes

In der ersten Folge erlebten wir den ganz großen Durchbruch: Wie die Spice Girls es durch bad fashion und chartbrechenden Nerv- Singsang nach ganz oben schafften. In Folge zwei machten sie (bis auf Victoria und Emma) öffentlich kein Hehl aus ihrer Sympathie für die Tories und priesen Maggie Thatcher als frühes Girl-Power- Rollenmodell.

Jetzt sind die fünf Power Rangers der Hitparaden – Mel B., Mel C., Victoria, Emma und Geri – in die Hochphase konservativer Umwandlung eingetreten. Eine pinkfarbene Bild-CD in Herzchenform trägt – pünktlich zum Muttertag – ihren neuesten Titel „Mama, I Love You“ hinaus in die Welt. Und alle Fans sollen es kaufen und Mutti zu ihrem Ehrentag schenken. Statt Blumen. Oder Mon Chéri.

Was ist passiert? Ist das nun die marktfreundliche Antithese zu den bösen Vorgängerinnen im Pop, den Riot Grrrrls? Oder hat das Kreativ-Beraterteam sich das Ganze ausgedacht? Tatsache ist: Das Image der Gewürzmädchen ist ziemlich dehnbar, und auf dem Markt haben viele Attitüden nebeneinander Platz.

Mal kommen die Spice Girls als willenloses Produkt ihrer Plattenfirma daher, dann wieder dürfen sie sich unter reger Anteilnahme der Fanschar in ihre Dreizimmerwohnungen zurückziehen, um kreativ alles selbst zu machen. Da kommen dann freche Forderungskataloge heraus, wie man ihnen als Mädchen zu kommen habe („If You Wanna Be My Lover“), ein Video, das Russ Meyers Super-Vixen-Filmen folgt („Who Do You Think You Are?“) – oder eben eine kreuzbrave Ode an Mama.

Sie haben nun mal alle Widersprüche überwunden, diese weiblichen Heintjes, auch den Feminismus. „Margaret Thatcher war das erste Spice Girl“, sagten sie im britischen Vorwahlkampf dem Spectator, und „Feminismus ist ein dirty word, in den Neunzigern sollte man lieber Girl-Power dazu sagen“. So erklärt Geri die Tatsache, daß Girls nicht nur asskicken, sich selbst bestimmen, Spaß haben und lustig auf Parties rumhopsen, sondern die Familienbande als Gut neu entdecken sollen.

Natürlich ist dort alles in bester Butter. Generationskonflikte gibt es nicht im Würzmädchenleben, und wenn gerade nichts im Kühlschrank ist oder die Milch sauer, wohnen sie zwischendurch auch gern mal wieder bei Mama. So wie Emma: „Meine Mama ist meine Freundin, bei ihr hängen die Chippendales an der Wand.“

Verlierer und nicht so gut Gestellte haben allerdings keinen Platz in dieser Welt. Auch wenn das Spice-Girl-Image – zumindest was Mel C. angeht – sich an der Lowerclass-Vorstadtgöre orientiert, die mit Hanteln trainiert, begründet Geri ihre Absage an Toni Blair mit den Worten: „He never had a real job.“ Und sagt uns damit allen: Get a job, get a life! Es liegt nur am einzelnen, und wenn man was dafür tut und fest daran glaubt, kann man's auch schaffen, Mädels.

Was schadet es da schon, ein klingendes Plastik-Herzchen für gelungene Reproduktionsleistungen zu verschenken – und damit ein System zu loben, das Müttern das Muttersein an den restlichen 364 Tagen schon mal gern zur Hölle macht? So politisch sind wir heute nimmer — und ist doch lustig, so eine Shape-CD. Im Neoliberalismus ist ohnehin jeder selbst für sein Glück verantwortlich, und wenn moderne Mädchen wie die Spice Girls schon nicht auf die britische Währung verzichten wollen – weil da nämlich die Queen drauf ist –, vielleicht ist ja noch mehr drin? In Gesellschaft und bei Hofe? Prinz William soll ja noch zu haben sein. Annette Weber