■ Was ist WAZ?
: Die Alleinherrscher

Der Aufstieg des Essener Verlags der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom lokalen Zeitungshaus zum Medienkonzern mit mehr als drei Milliarden Mark Umsatz vollzog sich an Rhein und Ruhr eher unscheinbar. Aber er enthält bereits alle Ingredienzen, die ihm später auch anderswo eine unangefochtene Marktstellung sichern: gnadenloses Ausschalten der Konkurrenz, intime Nähe zur Politik, beharrliches Streben nach dem Monopol, konsequentes Setzen auf aggressives Marktverhalten statt auf publizistische Qualität sowie eine gut gefüllte Kriegskasse. Geschäftsführer Erich Schumann: „Wir denken weniger über Strategien nach – wir ergreifen Gelegenheiten.“

Die enge Verbandelung des Verlags mit Nordrhein-Westfalens regierender SPD (WAZ- Eigner Erich Brost, einer der reichsten Männer Deutschlands, ist Genosse) half auf dem Weg zum Monopol. Wenn es Probleme gab, wußte die WAZ immer, wie man deutsche Kartellwächter zahnlos macht. Und wenn Konkurrenz die Alleinherrschaft der WAZ störte, wurde sie meist mit einer Dumpingstrategie weggebissen. Die feudalistische Herrschaft wird von den beiden WAZ-Eignerdynastien nach innen allen Regeln des Großadels gemäß gesichert: Geschäftsführer Schumann wurde mit einer Tochter der Gesellschafterfamilie Funke verheiratet, den anderen Geschäftsführer, Günter Grotkamp, hat Erich Brost adoptiert – nachdem er seinen Sohn enterbte.

1987 reichte die Macht an Rhein und Ruhr den Zeitungsfürsten nicht mehr. In einem beispiellosen Wirtschaftskrimi sicherten sie sich mit den Boulevardblättern Kronenzeitung und dem Kurier einen guten Teil des österreichischen Zeitungsmarktes. Nach dem Mauerfall ging es dann nach Osten: Nord- und Mittelthüringen gehört mit der Thüringer Allgemeinen und der Ostthüringer Zeitung der WAZ. Es folgte die Expansion nach Ungarn, wo den Essenern neben Magyar Hirlap ein ganzes Netz von Regionalzeitungen gehört. Von hier aus ging es weiter nach Bulgarien. Doch auch anderswo, etwa in Belgien und Frankreich, stehen WAZ-Leute auf der Matte, wo Zeitungen im Angebot sind.

Im Inland sind sie seit langem scharf auf die Süddeutsche Zeitung. Auch im Zukunftsmarkt der elektronischen Medien ist die WAZ dabei. Ein Zehnprozentanteil bei Europas einträglichstem TV-Sender RTL erwies sich als ein Goldstück: Die Essener sollen mit 20 Prozent an der geplanten RTL-Holding beteiligt werden. Zudem verfügt die WAZ über zahlreiche Produktionsfirmen und Radiobeteiligungen in Nordrhein-Westfalen. Lutz Meier