Britische Muschelfischer blockieren Ölhafen

■ Folgen des „Braer“-Tankerunglücks wurden finanziell kaum kompensiert

Shetlandinseln (taz) – Rund zwanzig Muschelfischerboote haben in den gestrigen Morgenstunden Europas größten Ölverladehafen Sullom Voe auf den nordschottischen Shetlandinseln blockiert. Die Muschelfischer demonstrierten damit gegen die ihrer Meinung nach unfaire Behandlung bei der Verteilung von Kompensationsgeldern vier Jahre nach dem Unglück des Öltankers „Braer“ vor der Küste des Archipels.

Die Blockierer behaupten, daß die damals ins Meer geflossenen 85.000 Tonnen Rohöl erheblich größeren und vor allem länger anhaltenden Schaden angerichtet hätten als zunächst angenommen worden war. Die Muschelfischer verlangen jetzt eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung, die Aufschluß über die Auswirkungen des „Braer“-Öls auf die Muschelbestände geben soll.

Auch heute noch sind weite Gebiete in der Umgebung der Unglücksstelle für den Muschelfang gesperrt. Die Muschelfischer sind gezwungen, in andere Gebiete auszuweichen oder ihr Gewerbe ganz aufzugeben. Der Sprecher der Blockierer, Konrad Flaws, beschreibt die drastischen Folgen des Tankerunglücks für die Fischer: „Unsere Fanggründe wurden durch ,Braer‘-Öl ruiniert. Obwohl uns zugesagt worden ist, daß wir in vollem Maße Ausgleich für den Schaden erhalten würden, sind die Zahlungen inzwischen eingestellt worden.“

Der Ölhafen, in dem die Hälfte des gesamten britischen Nordseeöls umgeschlagen wird, soll blockiert werden, bis der Internationale Fonds zur Kompensation bei Ölunfällen (IOPCF) mit Sitz in London die Zahlung von Verdienstausfällen für die letzten 18 Monate zugesagt hat.

Der Fonds hat im April vergangenen Jahres die Zahlung aller Kompensationsgelder eingestellt. Der Grund dafür: Es war offenbar geworden, daß die zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichten, um allen Ansprüchen gerecht zu werden. Den Entschädigungsforderungen von Fischern, Fischfarmern, der Tourismusbranche wie der Kommunalverwaltung in Höhe von über 200 Millionen Mark an den Fonds steht eine vergleichsweise geringe Summe von umgerechnet rund 26 Millionen Mark gegenüber, die im Fonds verblieben sind.

Der Sprecher der Blockierer, Konrad Flaws: „Ich denke nicht, daß wir mit der Blockadeaktion überreagieren, denn wir stehen in der Gefahr, beides zu verlieren: unseren Lebensunterhalt und unsere Boote.“

Vor allem nach Jakobsmuscheln wird rund um die Shetlandinseln gefischt. Von der Ölverschmutzung sind aber auch Krabben, Scheiden- und Herzmuscheln betroffen. Diese Muschelsorten werden vor allem in Spanien vermarktet.

Der Tanker „Braer“ war in den Morgenstunden des 5. Januar 1993 auf die Felsen an der Südspitze der Shetlandinseln aufgelaufen. 85.000 Tonnen Rohöl flossen damals ins Meer. Hans-Jürgen Marter