Der weibliche Patient

„WeibsBilder und TeleVisionen“: Die 30. Mainzer Tage der Fernseh-Kritik beschäftigten sich mit dem Thema Frauen und Fernsehen  ■ Von Manfred Riepe

Wenn Fürst Dieter Stolte, Herrscher über die Mainzelmännchen, alljährlich mit seinen berüchtigten Grußworten die „Mainzer Tage der Fernseh-Kritik“ eröffnet, drängt sich die Assoziation des Rechts der ersten Nacht förmlich auf. Zumal „nach 30 Jahren, also sozusagen nach einer Generation“, auch auf dem Mainzer Lerchenberg über die Frage nachgedacht wird: Wo kriegen wir nur all die kleinen Zuschauer her? Nachwuchstechnisch kommt man also selbst im Fernsehen nicht um die Frauen herum.

Als eine besondere Zierde muß es Stolte empfunden haben, der Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Jutta Limbach das Wort zu erteilen und somit gewissermaßen das Recht als solches auf seiner Seite zu haben. Doch die Chefin des Karlsruher Klubs der roten Richter nahm sich „die Freiheit heraus“, weniger die rechtlichen Fragen weiblicher Macht abzuhandeln, sondern „Darstellungsprobleme“ zu thematisieren. Feinsinnig ironisch reflektierte sie über die Funktion der First Lady, die „durch ihre Selbstdarstellung in den Medien Möglichkeiten der Identifikation“ biete, die jedoch über „häusliche Fertigkeiten wie der Kochkunst“ und „christliche Tugenden“ nicht hinausgehen dürften. Denn eines müßten die First Ladies tunlichst vermeiden: nämlich den Eindruck zu erwecken, sie partizipierten ehelich an dem Amt ihres Mannes und übten, durch die Öffentlichkeit unkontrollierbar, politischen Einfluß aus.

Der Fall Hillary Clinton also, die laut Limbach vergeblich versucht habe, die Rolle der First Lady „in eine Hälfte einer gemeinsamen Präsidentschaft umzudefinieren“, womit sich automatisch die Frage stelle, wer die Hosen anhabe. Hillarys „Rückzug aus dem Rampenlicht der Politbühne ..., sentimental abgefedert durch ein Buch über Kinder, kam denn auch nicht von ungefähr“, fällte die Richterin scharfsinnig ihr abschließendes Urteil.

Was zwar nicht neu, aber doch zumindest witzig war. Unfreiwillig komisch hingegen gerierte sich ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser in einer späteren Podiumsrunde zum Thema „Frauen und Fernsehen – ein Problemfall“. Eingezwängt zwischen sechs Frauen, wurde er von der Moderatorin Ingrid Scheithauer (Frankfurter Rundschau) als „Quotenmann“ bezeichnet, woraufhin er beschwichtigend bekanntgab, daß es im ZDF neuerdings sehr viel mehr weibliche Volontäre gebe. Chancengleichheit, Sie wissen schon. Befragt, warum diese vielen Frauen auf der Karriereleiter ausnahmslos an eine „gläserne Decke“ (Scheithauer) stoßen, räumte Bresser freimütig ein, daß Frauen aufgrund ihres „Nervenkostüms“ nun einmal nicht – wie er selbst – „100 Stunden pro Woche“ arbeiten könnten.

Bei soviel Klartext hielt es den ZDF-Gründungsintendanten Karl Holzamer nicht mehr auf dem Sitz. Mit einer gewissen Gereiztheit erinnerte er die anwesenden Frauen daran, daß sie nun einmal die Kinder bekommen und deswegen zurückstehen müßten – weshalb seine eigene Frau wohl artig sitzen blieb. Und als er dem neben ihm sitzenden Stolte anerkennend auf die Schulter klopfte und betonte, daß er ihn nicht um das Frauenproblem beneide – ja, da verwandelte sich der Lerchenberg einmal mehr in den Jurassic Park.

Lebendiger wurde es, als zwei TV-Kritiker gegeneinander antraten, die zuvor ein und dieselbe Programmwoche unter besonderer Berücksichtigung des männlichen und weiblichen Blicks begutachtet hatten. Klaudia Brunst, die Chefredakteurin dieser Zeitung, durchwatete in ihrem Essay die Niederungen der Daily- Talks und -Soaps, um an zahlreichen Beispielen herauszustellen, daß die männlichen Helden an der Seite immer stärkerer Frauen ärmliche Figuren abgeben. Ihr Vortrag endete mit einer beiläufigen Demontage des Jazzliebhabers Roger Willemsen, der die schwangere Schlagersängerin Nena vor kurzem als „schlank“ und als „Begründerin der Neuen deutschen Welle“ betalkt hatte.

Mit sichtlicher Irritation bestieg draufhin der Fernsehkritiker Dietrich Leder das Rednerpult, von Klaudia Brunst zuvor als gutmenschelnder Lenorfeminist apostrophiert. Leder nahm die problematische Herausforderung des Kritikerwettstreits an und mußte lernen, daß Frauen zwar nicht die besseren Menschen sind, zuweilen aber die tougheren – worunter sein Vortrag doch etwas litt. So warnte Leder davor, daß bei der bevorstehenden Verschärfung der sozialen Verhältnisse Frauen als erste an den Rand gedrückt würden.

„Was Frauen sehen“ beschäftigte eine weitere Podiumsrunde, in der der flaumbärtige Thomas Pauschert von der Quotenermittlung GfK mit der unbekümmerten Manier des Technokraten Frauen in vier Kategorien einteilte: „Karrierestarterinnen“, „Mütter“, „Wiedereinsteigerinnen“ und „Seniorinnen“. Der spürbare Haß der Zuhörer auf diesen Quotenquatsch entlud sich in einem kollektiven Akt magischen Denkens, der diesem Vortrag ein Ende setzte, indem Pauscherts Laptop wie von unsichtbarer Hand der Saft abgedreht wurde.