Iraks Kurden sitzen in der Klemme

■ Von Norden marschiert die türkische Armee ein, im Süden machen sich die Truppen Saddam Husseins bereit

Berlin (taz) – Die irakischen Kurden werden in die Zange genommen. In den vergangenen Tagen marschierten südlich des von Kurden kontrollierten Gebietes irakische Truppen auf – gestern überschritten 50.000 türkische Soldaten die Grenze zum Irak.

Offiziell macht die türkische Armee Jagd auf Mitglieder der türkisch-kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die den Nordirak als Rückzugsgebiet nutzen. Ebenso offiziell protestierte Irak gegen den Einmarsch. Treffen zwischen den verschiedenen Konfliktparteien lassen jedoch ein gemeinsames Ziel der Türkei und Iraks vermuten: den ungestörten Transport irakischen Erdöls und -gases über den Nordirak und die Türkei.

Am Samstag unterzeichneten der türkische Energieminister Recai Kutan und der irakische Ölminister Amir Raschid einen Vertrag über den Bau einer 1.300 Kilometer langen Pipeline zum türkischen Hafen Ceyhan. Zehn Milliarden Kubikmeter Gas sollen jährlich dort durchrauschen. Der Baubeginn wurde nicht genannt. Kein Wunder: Die Röhren müßten über Gebiet verlegt werden, das weder Bagdad noch Ankara kontrollieren, sondern zwei verfeindete Kurdengruppen: die Demokratische Partei Kurdistans (KDP) im Norden und die Patriotische Union Kurdistans (PUK) im Süden.

Doch das könnte sich bald ändern. Am Wochenende hatte die PUK Alarm geschlagen: Saddam Hussein lasse seine Truppen an der Demarkationslinie zu dem von ihr kontrollierten Gebiet aufmarschieren, man fürchte einen Angriff. Nach Angaben des Oppositionsbündnisses Irakischer Nationalkongreß verlegten die irakischen Militärs drei Truppendivisionen an die inoffizielle Grenze.

Hoffnungen auf Vorteile aus den irakischen und türkischen Truppenbewegungen scheint sich auch die KDP zu machen. In der vergangenen Woche verhandelten Vertreter der Partei in der türkischen Grenzstadt Silopi mit türkischen Militärs. Thema dürfte der bevorstehende Einmarsch gewesen sein. Bereits im vergangenen August hatten KDPler gemeinsam mit irakischen Soldaten gegen die PUK gekämpft, um die kurdische Hauptstadt Arbil wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Damals soll die KDP in Bagdad auch über den Transport irakischen Öls durch ihr Gebiet verhandelt haben.

Verlierer sind die USA. Um Saddam Hussein zu schwächen, versuchten sie, PUK und KDP zu versöhnen. Nach Wochen der Funkstille verbuchten die US-Vermittler am Dienstag einen Erfolg. PUK und KDP erklärten, sie wollten gestern in Ankara ihre Verhandlungen wiederaufnehmen, doch da marschierten die türkischen Truppen ein. Thomas Dreger