Als Kathedrale gestrandeter Zeppelin

■ Recycling mit Peitschenmästen: Das maßgefertigte Atelier des Holzskulpturisten Volker Lang

Die meisten KünstlerInnen sind froh, wenn sie überhaupt ein Atelier finden. Der Holzbildhauer Volker Lang nimmt aber Proportionsverhältnisse so ernst, daß er einen Arbeitsraum ganz nach eigenem Entwurf erstellt hat. Doch da heute nicht mehr Renaissancefürsten Grundstücke verschenken oder Jugendstilgemeinschaften ganze Künstlerdörfer bauen, hat der 33jährige Hamburger Künstler seinen Traumraum im Hinterhof eines Künstlerhauses und im wesentlichen aus alten Straßenlaternen gebaut.

Die Recycling-Idee wurde zur Kernstruktur eines sehr ungewöhnlichen Raums: 23 Peitschenmasten sind paarweise in 5,60 Meter Höhe zusammengeschweißt und bilden mit einer weißen LKW-Plane überzogen einen 16 Meter langen Raum. Entstanden ist eine Raumplastik, die von außen einem im extrem flughafennah gelegenen Sootbörn gestrandeten Zeppelin nicht unähnlich ist. Von innen aber mit der dreirippigen Apsis ist es eine kleine Arbeitskathedrale.

Im zehnjochigen Raum bilden die Bogenlampen mit ihrer nicht funktionalen Gewölbekurve eine der Frühgotik vergleichbare Basilika. Solche sakralen Vergleiche sind einem Künstler nicht fern, der seine Ausbildung als Kirchenmaler begann, der in Italien ausführliche Proportionsstudien gezeichnet hat, und der viele seiner plastischen Arbeiten aus älteren Architekturen ableitet.

Volker Lang hat die Peitschenlampen für 25 Mark das Stück von der HEW gekauft. Für den weiteren nötigen Stahl aber noch einmal mehr als fünftausend Mark ausgegeben. Ginge es nicht wesentlich um die besondere Gestalt des Arbeitsraums, ein Industriezelt hätte er schon für zwölftausend Mark kaufen können. So aber wurde trotz der Hilfe von über zwanzig Freunden rund das Dreifache ausgegeben.

In der Kunst sind zur Zeit kleine und ironische Arbeiten gefragt“, weiß Volker Lang, „symbolische und vielleicht etwas pathetische Gesten sind riskant“. Doch immerhin bekam der Künstler, der 1995 bei Franz Erhard Walther und Stanley Brown Diplom an der Hochschule für bildende Künste gemacht hat, bereits 1996 für seine konsequente und unmodische Haltung das Hamburg-Stipendium.

Bevor er mit neuen Arbeiten für seine diesjährigen Ausstellungen in Krakau und Augsburg beginnt, ist im „Atelierzelt“seine zwölf Meter lange, aus acht Eichenstämmen gearbeitete „Struktur“aufgebaut. Diese Großform, die er in Italien entwickelte, ist ein strenges plastisches Substrat von südlichen Arkadengängen, dessen Maßsysteme in Ellen und Fuß nach dem Körpermaßen des Künstlers rhythmisiert sind und in minimalistischer Strenge Reihungen, Doppelungen und Teilungen durchspielen.

Nicht antikisch und nicht Le Corbusiers Modulator – gerade weil es keine verbindlichen Ordnungen mehr gibt, kann ein Künstler heute offene, aber in sich stimmige Systeme setzen. Und so wird Volker Lang dem schnellen Konsum in Kunst und Alltag weiter mahnend vorhalten: „Proportion kann man nicht ernst genug nehmen“.

Hajo Schiff

Besichtigung nach Vereinbarung: Volker Lang, FonFax 580938, Künstlerhaus Sootbörn 22, Hinterhof.