„Ich bin kein Handlanger der Armee“

■ Immer mehr junge Türken lehnen den Militärdienst in ihrer Heimat ab. In Hamburg haben sie sich jetzt organisiert

Ali Düzgün Düven sitzt das Entsetzen immer noch in den Knochen: Eine Woche, nachdem der junge Kurde im November 1996 seinen Wehrpaß vor dem türkischen Konsulat in Hamburg verbrannt und seine Kriegsdienstverweigerung erklärt hatte, holte die Militärpolizei in seinem Heimatort den Vater ab zum Verhör. Wo wohnt der Sohn in Deutschland, wollte die Polizei wissen, warum verweigert er den Wehrdienst.

Ali Düzgün Düven wohnt in Hamburg. Und hier hat er sich Rat und Hilfe organisiert: Mit Gleichgesinnten hat er „Savas Karsitlari Grubu“(Gruppe der Kriegsgegner) gegründet. In den Büroräumen der „Deutschen Friedensgesellschaft Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“(DFG-VK) bietet die Gruppe jeden Dienstag um 18.30 Uhr Beratung an (Amandastraße 58).

Die Kriegsdienstverweigerung gilt im NATO-Partnerland Türkei als „Verbrechen erster Ordnung“. Düzgün erläutert: „Im türkischen und kurdischen Machotum und vor dem Hintergrund der türkischen Militärtradition, ist es unmöglich, das Thema öffentlich überhaupt zu diskutieren.“Der junge Kurde hat in der Bundesrepublik Asyl beantragt, weil er die Waffe nicht gegen seine kurdischen Schwestern und Brüder richten will.

Immer mehr junge Türken lehnen den Dienst mit der Waffe ab. Auch Düvens Freund Ali Yazici (26) ist vor der Armee nach Hamburg geflohen. Seine Gründe: „Im türkischen Militärdienst werden die Menschen entpersonalisiert, Unterdrückung und Gewalt als Methoden angewandt und Töten als Kunst gelehrt. Ich will kein Handlanger der Armee bei Morden und Unterdrückung weder an Kurden noch an Türken sein.“Jörg Rohwedder vom DFG-VK schätzt, daß es 350.000 türkische Wehrflüchtige in der Türkei und Europa gibt. In der Bundesrepublik haben bereits 80 Männer ihre Verweigerung öffentlich erklärt.

Eigentlich fordert die Resolution der UN-Menschenrechtskommission vom 8.3.1989 auch die Türkei auf, „Rechtsvorschriften zu erlassen und Maßnahmen zu ergreifen, die bei Vorliegen echter Gewissensgründe für die Verweigerung des Wehrdienstes mit der Waffe die Freistellung vom Wehrdienst vorsehen“. Doch die Türkei ist dieser Vorgabe bis heute nicht gefolgt.

Das weitere Schicksal von Ali Düzgün Düven und Ali Yazici liegt jetzt in der Hand Hamburger Richter. Türkische Verweigerer in Deutschland müssen mit Abschiebung rechnen. Nur die akute Gefahr für Leib und Leben hat einigen von ihnen bisher zum Asyl verholfen. Die Verfolgung wegen der Verweigerung allein reicht nicht aus.

Volker Stahl