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Ein Gentleman zieht in den Bürgerkrieg

■ Graphisches Grauen: Die Ausstellung „Civil Wars“zeigt Bilder des amerikanischen Kriegsfotografen James Nachtwey

Französische Soldaten, die Hutu-Kämpfer mit Bulldozern in Massengräber schaufeln (1994); ausgemergelte Somalier, die nur noch in Schubkarren mit Hilfe anderer den Ort wechseln können (1992); ein vermummter Mann, der zwischen den Ruinen Kabuls emsig die staubige Straße fegt; afghanische Mütter, die ihren schreienden Kindern Prothesen anlegen (1996); Kriegsdienstverweigerer im Heim für Geistesgestörte.

Nach einem Gang durch die Ausstellung Civil Wars konnte die Frage nicht ausbleiben: „Herr Nachtwey, wenn man 17 Jahre als Kriegsfotograf von Krisengebiet zu Krisengebiet reist – muß man da nicht zwangsläufig zum Zyniker werden?“

James Nachtwey, 48, antwortet mit derselben stoischen Aufmerksamkeit, mit der er auch allen weiteren Fragen der Hamburger Journalisten begegnen wird. Nein, sagt er, im Gegenteil, die Arbeit habe ihn sensibler gemacht. Auch trauriger und einsamer, doch den Preis sei er gewillt zu zahlen. „Ich glaube an die Menschen. Wir müssen alle diesen Glauben haben. Genaugenommen ist er alles, was wir haben.“

Der studierte Politologe und Kunstwissenschaftler kam zur Fotografie über die beeindruckenden Bilder älterer Kollegen aus dem Vietnamkrieg. Er selbst begann Anfang der achtziger Jahre zunächst in Afghanistan zu fotografieren: „Die USA waren so engagiert in dem Krieg, aber als er endete, verschwand das Land komplett aus dem Bewußtsein. Ich wollte den Menschen dort eine Stimme geben, weil ich wußte, daß sie sonst keine in der Welt hätten.“

James Nachtwey fotografiert gegen die Ignoranz und gegen das Vergessen. Seine Bilder sollen „Teil des ewigen Archivs unseres kollektiven Gedächtnisses“sein.

Dreimal reiste er in das bürgerkriegsgebeutelte Land, um das Leid zu dokumentieren, mit der konkreten Hoffnung, zu seinem Ende beizutragen. Denn das, so der Amerikaner, habe der Vietnamkrieg gelehrt: „Fotos können Verantwortliche zum Handeln zwingen.“Auch wenn das Fernsehen heute Hauptinformationsmedium ist, bestätigt Nachtwey Fotografien „einen bestimmten Level von Bewußtseinspenetration“, der bewegten Bildern unerreichbar sei.

James Nachtwey hat viele Bilder festgehalten und geschaffen, die sich ins Gedächtnis eingraben. Für sein stilles Portrait eines jungen Mannes mit panischen Augen, dessen Gesicht von einem Hutu-Milizionär mit Machetenhieben fast graphisch entstellt wurde, erhielt er 1994 den World Press Prize. Sechsmal wurde der Magnum-Fotograf in den USA zum Magazin-Fotografen des Jahres gewählt, viermal bekam er die Robert Capra-Medaille. In der Tradition Capras, des berühmtestem Kriegsfotografen des Jahrhunderts, steht Nachtwey, auch wenn er, wie ihm Hans-Hermann Klare bestätigt, „immer korrekt gekleidet, immer freundlich zu Kämpfern wie Kollegen“durch den Dschungel El Salvadors, über die Schlachtfelder Bosniens, Tschetscheniens oder Nordirlands läuft. Der Stern-Reporter Klare hat mit dem Gentleman der Kriegsfotografie in Ruanda und Südafrika gearbeitet und jetzt eine Ausstellung von 80 Schwarzweiß-Fotografien Nachtweys organisiert, die in ihrer klaren Ästhetik des Grauens ebenso erschütternd wie sehenswert ist.

Christiane Kühl

Ausstellung „Civil Wars“bis 15. Juni, Mo-Fr, 10-20 Uhr, Sa/So, 10-18 Uhr, Fleethof, Stadthausbrücke 1-3

Portfolio: „James Nachtwey. Civil Wars“, hrsg. v. Gruner und Jahr, 94 Seiten, 29.90 Mark

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