Ärger um die Jugendweihe

Berlins CDU empört: Ihr Wirtschaftssenator spricht vor Atheisten  ■ Von Jens Rübsam

Berlin (taz) – In einer Woche will der CDU-Politiker und Berliner Wirtschaftssenator Elmar Pieroth als Redner bei einer Jugendweihe im (Ost-)Berliner Plattenbaubezirk Hellersdorf auftreten – und seine Partei ist empört. Parteikollegin Elke Hofmann findet das „fast skandalös“. Hanna-Renate Laurien, prominente CDU-Politikerin und Vorsitzende des Katholischen Frauenbundes in Berlin, bezeichnet den Auftritt Pieroths milde „als eine Gratwanderung“.

Scharfe Kritik äußert auch Kardinal Georg Sterzinsky. Die Jugendweihe gilt dem ranghöchsten Katholiken Berlins immer noch als eine Veranstaltung, die den „atheistischen Zielen der SED“ diene. „Daß viele Menschen in der DDR dies heute nicht wahrhaben wollen, gehört zu den erschreckenden Erfolgen dieser Ideologie.“ Noch härter geht Wolfgang Zietz, evangelischer Pfarrer im Berliner Bezirk Marzahn, mit Pieroth ins Gericht: „Daß ein Christ bei einer Jugendweihe redet, kann ich nicht verstehen.“

Die Angst vor dieser Veranstaltung, die aus den Reihen der Arbeiterbewegung Ende des vorigen Jahrhunderts als Alternative zu kirchlicher Frömmelei ins Leben gerufen worden war und in der DDR die weltliche Form der Konfirmation darstellte, sitzt offenbar tief. Doch unangefochten von diesen Bannflüchen sind derweil die Veranstalter der Jugendweihen selbst. Sie melden Teilnahmerekorde. Bundesweit 95.000 junge Frauen und Männer wollen sich dieses Jahr jugendweihen lassen. 8.700 Jugendliche sind es allein in Berlin, das Gros kommt aus dem Osten der Stadt. Die „Interessenvereinigung für humanistische Jugendarbeit“ freut sich über diese Zahl. Ihr Präsident Werner Riedel glaubt, daß die Jugendweihe als nichtkirchliche Alternative ihre Berechtigung hat. „Jugendweihe hat nichts mehr zu tun mit DDR.“ Dieses Jahr, gibt Riedel an, wollen auch erstmals Jugendliche aus dem bayerischen Hof an diesem Fest teilnehmen.

Dennoch: An der Jugendweihe manifestiert sich die Spaltung zwischen Ost und West: Hier die gottlosen Heiden, denen Kirche und Glauben nichts sagen; dort die Christen, die durch die penetrante Verweigerung der Ostler, sich mit dem Christentum auseinanderzusetzen, das Kreuz erst recht hoch halten.

Jugendweihe kommt vielen Christen wie ein Ereignis vor, bei dem es nur um möglichst üppige Geschenke geht. Daß auch Kommunion und Konfirmation mehr und mehr Geschenkeveranstaltungen ähneln, wollten und wollen die Kirchenvertreter nicht wahrhaben.

Senator Pieroth sitzt derweil zwischen Kirchenbank und gepolsterten Jugendweihefeststühlen. Er ist Westler. Und Katholik. Aber er ist auch CDU-Bezirksvorsitzender von Hellersdorf. Und er will das „Feld nicht der PDS überlassen“. Die PDS ist die stärkste Partei im Plattenbezirk. Pieroth will mit seiner Teilnahme an der Jugendweihe „mehr christliches Gedankengut“ in die Feier bringen. „Wer sich zutraut, über Freiheit und christliche Werte zu reden, sollte die Gelegenheit einer solchen Einladung nicht ausschlagen.“

Für CDU-Parteifreundin Elke Hofmann ist das der falsche Weg. Für sie, Katholikin aus dem Osten, ist die Jugendweihe wie eh und je eine Veranstaltung, „die die PDS nutzt, um ihre junge Garde heranzuziehen“. Wenn schon ein Christdemokrat über christliche Werte reden wolle, müsse dies im Dialog mit den Jugendlichen geschehen und nicht auf einer Jugendweihe. „Das ist kein Ort, an dem Dialoge geführt werden können“, findet Hofmann. Trotz der eifernden Kritik aus den eigenen und aus den Reihen der beiden Kirchen gibt sich Elmar Pieroth öffentlich-optimistisch. „Ich möchte den jungen Menschen empfehlen, nicht zu verzagen. Auch wenn ein Ausbildungs- und Studienplatz noch in weiter Ferne zu liegen scheint. Es gibt soviel Arbeit in dieser Welt“, teilte er in einem Interview mit.

Insgeheim aber scheinen den Wirtschaftssenator die Anwürfe getroffen zu haben. „Er hat bei mir angerufen und mich gefragt: Was soll ich machen?“ sagt CDU-Landesmutter Hanna-Renate Laurien. Und dann, „ich zitiere Pieroth wörtlich“, habe er zugesichert: „Ich werde so reden, daß die mich nie wieder einladen werden.“