NS-Recht ist Unrecht

■ Bundestag sagt Wehrmachtsdeserteuren Entschädigung zu. Betroffene lehnen ab: Rehabilitation geht nicht weit genug

Bonn (AFP/taz) – Als der Bundestag am Donnerstag abend eine Entschließung zur Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren verabschiedete, schien ein jahrzehntealtes Unrecht endlich beseitigt zu sein: Die von der NS-Militärjustiz zu Haft oder zum Tode verurteilten Deserteure gelten nicht mehr als vorbestraft. Der Kampf um ihre moralische Rehabilitierung schien durch die von Union, FDP und SPD getragene Entschließung gewonnen, die ihnen „Achtung und Mitgefühl“ zollt.

Trotzdem lehnten die Grünen, PDS und die Betroffenen in der „Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz“ den Text ab. Sie sehen durch einen Satz in der Entschließung bestimmte Deserteure von der Rehabilitierung und damit von der finanziellen Entschädigung ausgeschlossen. Die SPD hält die Erklärung für das maximal Erreichbare.

Mehr als 20.000 Wehrmachtssoldaten wurden nach Angaben der „Bundesvereinigung“ im Zweiten Weltkrieg als Fahnenflüchtige zum Tode verurteilt; rund 15.000 von ihnen wurden hingerichtet. Mehr als 10.000 erhielten Zuchthausstrafen. Nicht einmal 4.000 haben das Grauen überlebt, stellt Ludwig Baumann, der Vorsitzende des Verbands, fest. Er wurde 1942 wegen Fahnenflucht, eines Wachvergehens und eines Waffendiebstahls zum Tode verurteilt, später zu zwölf Jahren Zuchthaus begnadigt. Heute leben nur noch rund 200 der ehemaligen Deserteure. Baumann lehnt die Entschließung ab, da „wir Deserteure mit diesem Beschluß nicht rehabilitiert, sondern erneut gedemütigt“ werden. Der Text stellt zwar fest, daß die Urteile der Wehrmachtsjustiz wegen Desertion „unter Anlegung rechtsstaatlicher Wertmaßstäbe Unrecht waren“. Die Kritiker des Textes sehen den folgenden Satz jedoch als Einschränkung: „Anderes gilt, wenn bei Anlegung dieser Maßstäbe die der Verurteilung zugrunde liegende Handlung auch heute Unrecht wäre.“ Da Desertion und ihre im Krieg notwendigen Begleitvergehen, etwa Diebstahl von Lebensmitteln oder Zivilkleidung, auch heute strafbar seien, würden die Urteile in solchen Fälle eben doch nicht als Unrecht verurteilt, so Volker Beck von den Grünen.

Dessen Kollege der Unionsfraktion, Norbert Geis, weist diese Interpretation zurück: Die umstrittene Klausel sei nötig, weil viele Deserteure die Truppe nicht aus moralischer Opposition verlassen hätten, sondern um sich der Verfolgung wegen Verbrechen zu entziehen. Verurteilungen allein wegen Desertion würden daher als Unrecht bezeichnet, eine pauschale Rehabilitierung für alle Deserteure könne es dagegen nicht geben. ank