Dini zahlt Waigel Belehrungen heim

■ „Kreative Buchführung“ kritisiert. Vertrauensbekenntnisse in Frankreich

Der italienische Außenminister Lamberto Dini hatte seinen großen Tag. Genüßlich rieb er dem deutschen Finanzminister in der International Herald Tribune unter die Nase, daß seine Buchhaltertricks den Stabilitätspakt für den Euro gefährden könnten. Er wäre sehr überrascht, meinte Dini, wenn die deutsche Regierung auf Kniffe wie die Neubewertung der Goldreserven zurückgreifen würde, um die Steuerausfälle für 1997 auszugleichen. Denn das könnte im Folgejahr zu einer Erhöhung der Defizite im Haushalt führen.

Die Seitenhiebe des italienischen Außenministers kommen von Herzen. Denn bisher war es vor allem der deutsche Finanzminister, der die EU-Partner penetrant wegen kreativer Buchführung kritisierte. Besonders die römische Regierung hat darunter zu leiden. Waigel hat keine Gelegenheit ausgelassen, Italien wegen seiner Haushaltsprobleme aus dem Kreis der Euro-Anwärter hinauszureden. Mit großer Genugtuung hat Dini darauf hingewiesen, daß Italien durchaus noch in der Lage sei, das Haushaltsdefizit unter drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu drücken, wie es der Maastrichter Vertrag vorschreibt. Durch Erhöhungen der Mehrwertsteuer und Einsparungen bei den Renten will die Regierung sogar auf 2,8 Prozent kommen, ein Wert, den ihm zwar niemand abnimmt, von dem aber auch Waigel nur träumen kann.

Auch die britische Financial Times läßt sich nicht ohne süffisante Ironie darüber aus, daß Waigel jetzt genau das tun will, wovor er die anderen dauernd gewarnt hat. Seine Versuche, die Schulden mit dem Verkauf von Telekomaktien und der Neubewertung der Goldreserven zu drücken, „sehen eher nach einem Desaster in der Öffentlichkeitsarbeit aus als nach einer Lösung“.

Die Europäische Kommission in Brüssel übt sich dagegen in Zurückhaltung. Ob die deutschen Tricks für die Bewertung der Euro-Kriterien akzeptiert werden könnten, habe Eurostat zu entscheiden, das statistische Amt der Europäischen Union. Ansonsten begrüße man es natürlich, daß Bonn offensichtlich entschlossen sei, die Maastricht-Kriterien um jeden Preis zu erfüllen.

In Paris sorgten die Schwierigkeiten des deutschen Finanzministers gestern für stillschweigende Genugtuung. Journalisten erinnerten süffisant an das deutsche Stirnrunzeln angesichts des Pariser Vorhabens, mit Einnahmen aus der Privatisierung der France Telecom die Haushaltslücke zu schließen. Die ursprünglich für diesen Monat geplante Privatisierung ist wegen der vorgezogenen Neuwahlen auf Juni verschoben.

Die französische Regierung hingegen wollte nicht Öl ins Feuer gießen. „Welches Haushaltsloch?“ fragt die Sprecherin des französischen Finanzministeriums spitz, „Sie meinen vielleicht die geringfügigeren Einnahmen.“ Eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Deutschlands will sich Finanzminister Jean Arthuis nicht vorwerfen lassen. Sein Kommentar auf die Lage in Bonn beschränkt sich auf ein Vertrauensbekenntnis zu Theo Waigel und dessen Sanierungspolitik. „Wir haben nicht den geringsten Zweifel daran, daß Bonn es schaffen wird, seine Ausgaben zu kontrollieren“, erklärte Arthuis in Paris. Alois Berger/Brüssel,

Dorothea Hahn/Paris