„Wäre Kabila bloß schon gekommen“

■ Am Tag von Mobutus Flucht verschwindet die Anspannung aus der zairischen Hauptstadt. In die freudige Erwartung der Rebellen mischt sich noch Furcht

Kinshasa (taz) – Noch am Mittag wußten es viele Menschen noch nicht – und für viele war es auch nichts Ungewöhnliches: Präsident Mobutu hatte am Morgen die Stadt verlassen. Er wolle sich in Gbadolite, seinem Refugium und Präsidentenpalast nahe der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik, über das Wochenende erholen, hieß es. Daß der Präsident möglicherweise gar nicht mehr zurückkehrt – daran dachten viele zunächst gar nicht. Erst als sich die Gerüchte verdichteten, daß Mobutu in der Nacht auf Freitag Besuch von einigen Generälen erhalten habe, die ihm mitteilten, sie würden und könnten die Stadt nicht gegen Kabilas Rebellen verteidigen, wurde es den Leuten bewußt: Die Ära Mobutu ist wohl wirklich zu Ende gegangen.

„Ich frage mich“, sagt der Journalist Lucien, „weshalb ist Mobutu nach Gbadolite geflogen? Die größeren Städte drumherum sind in der Hand der Rebellen. Er wird sich doch wohl nicht denken, daß er dort in Sicherheit ist?“ Für Lucien ist das das Zeichen, daß Mobutu in Wirklichkeit ins Exil gehen wird. Und wer kommt danach? Lucien zuckt mit den Schultern und lächelt: „Die Allianz.“

Die Straßen in Kinshasa sind wieder so geschäftig wie immer. Die „Avenue de Commerce“ brodelt wieder wie immer. Nur einige wenige Läden haben ihre Türen verriegelt. Die „Avenue de Commerce“ war bei früheren Krisen immer eine der ersten Straßen, die Plünderern zum Opfer fiel. Die Märkte sind voll.

„Kabila wird uns Sicherheit und Stabilität bringen. Ich wünschte mir, er wäre schon gestern gekommen“, sagt eine Marktfrau. Die Hoffnungen, daß sich mit der Ankunft von Kabilas Truppen alles verändern wird, ist riesengroß. Der von der Opposition ausgerufene Generalstreik ist zu Ende, das Leben hat sich weitgehend normalisiert. Und auch viele der Straßensperren der Armee, wo Wegzoll bezahlt werden mußte, sind verschwunden. Auf einigen Straßenkreuzungen stehen noch Verkehrspolizisten und halten die Autos an. Die Soldaten aber, so scheint es, sind heute in den Kasernen geblieben. „Aber das werden sie bestimmt nicht lange tun“, sagt ein Mann. „Sie haben in den Kasernen nichts zu essen. Sie werden schon wieder herauskommen.“

„Die Soldaten werden schon noch kommen“

Auch der Hafen von Kinshasa ist so geschäftig wie immer, nachdem am Donnerstag die kongolesische Seite den Fährbetrieb eingestellt hat. Damen mit Krokodillederköfferchen entsteigen Mercedes-Limousinen und winken ihren Begleitern ein letztes Adieu zu. Sie haben Glück, eine Fähre zu erwischen, denn kaum hatte die kongolesische Seite ihre Grenze wieder geöffnet, haben die Beamten auf der zairischen Seite ihre Läden dichtgemacht.

An einigen Straßenecken bilden sich Menschentrauben, die den sogenannten „Straßenparlamentariern“ von Oppositionsgruppen ihr Ohr schenken. Zwei Männer streiten sich, ob diese zur festen Einrichtung Kinshasas gewordenen Männer noch „Straßenparlamentarier“ oder Vorkämpfer der Allianz seien: Sie können sich nicht einigen und laufen grollend in entgegengesetzte Richtungen davon.

Eine zwiespältige Stimmung breitet sich aus. Noch ist Mobutu nicht richtig abgetreten. Maitre Mukendi, ein Berater des Oppositionsführers Etienne Tshisekedi, fragt: „Die Lage ist etwas beunruhigend. Wir sind aber zuversichtlich, daß Mobutu seinen Rücktritt einreichen wird und daß das den Einmarsch der AFDL erleichtert. Wir haben einen Appell lanciert, die Bevölkerung solle ruhig bleiben. Denn Plünderungen und private Abrechnungen sind in dieser Lage nicht ganz ausgeschlossen.“ Trotz dieser Befürchtungen scheint der Machtwechsel greifbar nahe. Der Einmarsch der AFDL wird von Diplomaten für Montag erwartet. Bereits jetzt aber zirkulieren Gerüchte, die Truppen kämen früher. Andrea König