Libuda und der liebe Gott

■ Deutsche Alternativfußballmeisterschaften: Bremens „Vibratoren“werden wieder A-Meister / „Rote Sterne“gingen unter / „Stahl Eisen“wie Werder, nur besser

Und es begab sich an dem Tag, da die Christenheit der Ausgießung des Heiligen Geistes gedachte. Da beschloß der Herr, auf dem Kuhhirten zu Bremen den Menschen einen neuen Stern zu schenken, zur Orientierung in all den modernen Wirrnissen. Auf daß die Guten siegen mögen, damit die Welt nicht ganz und gar in die Hände der Finsterlinge fallen solle. Also schob der Herr nach zwei Tagen sengender Hitze gnädig ein paar Wolken vor die Sonne, schickte Roland „Libudas Rache“zu zwei gebenedeiten Dribblings in die Hälfte der Finsterlinge, ließ ihn das erste selbst einlochen, lenkte fürs zweite Bunny Steinwedes Schlappen so in der Fünfmeterraum, daß auch da der Keeper der Dunkelmänner keine Chance hatte. Und schon stand es 2:0, und das gefiel dem Herrn so wohl, daß er für einen Moment unachtsam war. Sonst hätte er Filip „die Lunge“Bertzbach kurz vor Schluß noch einen reintun lassen. So war's halt nur der Pfosten. Aber erstens soll den neuen Stars auch nicht zu wohl werden, und zweitens soll man den Herrn der Finsternis auch nicht unterschätzen. Der lauert halt überall. Ein fußballerisches Pfingstereignis: Am Sonntag besiegte Vibrator Moskovskaja aus Bremen die Bielefelder „Finsterlinge“souverän mit 2:0 und wurde wie im letzten Jahr deutscher Alternativfußballmeister. Wenn das kein Zeichen ist in unserer depressiven maroden kleinen Stadt: Zum Erfolg mit Einsatz, Technik, Talent – dann klappt's auch mit dem lieben Gott. Oder andersrum, kleiner Hinweis, warum's in Bremen so selten klappt: Seine größten Sorgen gab Vibrator-Käptn Bertzbach mit „Christoph Daum, Gaby Papenburg, meine Bänder und Henning Scherf (sic!)“an. Mehr muß über den Zusammenhang von Fußball und Politik nicht gesagt werden.

Vielleicht noch das. Was politische Beobachter kaum verwundern wird: Die „Roten Sterne“sinken. Im letzten Jahr noch der siebte Platz, in diesem gerade mal der zwölfte. Kein Wunder, wenn man ganz auf die maoistische Massentaktik setzt. Die Sterne waren mit zwei kompletten Teams angetreten und hatten ihnen die Namen „Tschou En Lai“und „Enver Hodscha“gegeben. „So kriegen wir mehr Disziplin ins Spiel“, meinte Sterne-Sprecher Pelle Pelster in einer Anwandlung von Defensivismus. Aber: keine Chance für die chinesische Lösung gegen linken Kreativfußball. Das beeindruckendeste Ergebnis der Sterne war ein Unentschieden gegen die Vibratoren. Am Ende mußte auch Pelster den Niedergang des roten Imperiums anerkennen – und reagierte ganz im traditionssozialistischen Kontext. Nach dem vergeigten Spiel um Platz elf gegen die „Piranhas“aus Regensburg verordneten sich die Spieler linke Sprachlosigkeit. Um hernach widrige Umstände ins Spiel zu bringen. „Wenn's geregnet hätte, hätte alles ganz anders ausgesehen.“

Derlei Erklärungsnot hatte das dritte Bremer Team nicht. „Stahl Eisen“putzte im letzten Spiel „Alhambra Oldenburg“mit 2:0 und schaffte damit den neunten Platz. Ganz wie Werder, bloß schöner gespielt. Wobei die Bremer Schwermetaller noch hart an der Fankultur arbeiten müssen. Der Schlachtruf „Stahl!“und dann 50 Meter weiter „Eisen!“und eine putzige drei-Mann-La Ola wollten erzeugen nicht den richtigen Schub. Und der Oldenburger Keeper in seinem knallorange Verkehrskasper-Trikot ließ sich schon gar nicht erschrecken. Kleiner Tip: Hamborn 07 hat es mit dem Traditionslied „Hoch lebe Eisen, hoch lebe Stahl, hoch lebe Hamborn, die gelbe Gefahr!“bis in Küppersbuschs Privatfernsehen geschafft. Da müßte doch auch für die Bremer was drin sein. Kreativen Nachhilfeunterricht könnten sich die Nordfans von den „Pelmke All-Stars“aus Hagen holen. Die boten, als ihre Kicker letzte geworden waren, vor dem Finale per Betttuch „Rent a fan“an.

Was sonst noch so los war, warum die Vibratoren trotz der Meisterschaft kreuzunglücklich waren, wie sich die Roten Sterne mit einer Ü 40-Meisterschaft aus der Krise holen wollen und die Schlußtabelle finden Sie auf der Seite „Leibesübungen“. Jochen Grabler