Idealer Soundcheck für das „Viertel“

■ Die Breminale 1997 am Abend: Wenn Wetterleuchten und Gewitter zum Schauspiel gehören / Zwei Rundgänge

Wer sich am Samstag abend auf den Weg zur Breminale machte, ahnte dräuendes Unheil. Am Himmel blitzte es, und man fragte sich, ob das ein Gewitter ankündigte, oder ob es sich um einen verrückten Performance-Bestandteil des jährlichen Festes am Osterdeich handelte. Ging man den Sielwall hinauf, wog man sich in Sicherheit. Es blitzte scheinbar ausschließlich über dem Deich, also würde es zur Show gehören. Vielleicht zu der, die die Menschen bereits auf dem Hinweg zum Tanzen und Arme-in-die-Luft-Werfen brachte, bevor man sie überhaupt sehen konnte. Bei jener handelte es sich um die des „Star Sound Orchestra“, das zu vorgerückter Stunde die „Flut“-Bühne bespielte.

Ein Mensch an einer Maschine, ein anderer an einem ganzen Arsenal von riesigen Gongs und mehr oder weniger handlichen Percussion-Instrumenten. Dabei entstand keineswegs der Kampf Mensch gegen Maschine sonder ein wunderbares Miteinander. Mit freiem Oberkörper bearbeitete der Percussionist seine Trommeln oder sprang fröhlich klöppelschwingend zwischen den Gongs hin und her, während der Maschinenbediener mit ähnlichem Elan Knöpfe drehte, Regler verschob und Stecker umstöpselte. Perfekt aufeinander eingespielt machte mal der eine den Beat-Teppich, um die applauskompatible Virtuosität dem anderen zu überlassen, mal umgekehrt. Hörenswert war es immer und brachte auch Menschen zum Tanzen oder zumindest Mitwippen, die eigentlich auf dem Weg zur Blues- oder Rock-Bühne waren.

Die Bedenken wegen der Blitze am Himmel hatte man derweil vergessen, was sich erst später als Fehler herausstellen sollte. In der Show des „Star Sound Orchestra“wurde jedenfalls nicht geblitzt, aber viel genebelt. Teilweise soviel, daß man aus der Ferne denken mochte, das Zelt brennt. Das war natürlich höchstens im übertragenen Sinne der Fall.

Ins Schwitzen konnte man auch anderswo kommen. Beim Streetball-Spielen auf einer Holzbühne wurde bis spät in die Nacht auf einen kleinen Korb geworfen. Dank angemessener Beleuchtung konnten Ball und Korb selbst in der Dunkelheit gut erkannt werden. So waren Höchstleistungen gefordert und wurden erbracht.

Nicht jeder möchte auf Stadtfesten neue musikalische Horizonte ins Visier nehmen oder sich gar sportlich betätigen. Im K2-Zelt sollten die holländischen „Hips“laut Eigenwerbung Soul, Funk und Rap bringen, bewegten sich aber stets im Stadtfest-Standardprogramm zwischen Pop und Rock. Das alles war professionell dargeboten, aber auch mit den fetten Keyboards und einer zu bemüht röhrenden Sängerin arg überladen.

Man mußte ja nicht stehenbleiben. Auf der K1-Bühne wurde nämlich rockiger Blues geboten, der musikalisch keineswegs origineller war, aber weniger aufgeregt daherkam. Da konnte auch ein Kontrabassist mal zu ausufernden Soli ansetzen, während die restlichen Bandmitglieder sich gemütlich hinsetzten. So etwas wurde vor allem von Koteletten- und Ohrring-Trägern älterer Jahrgänge goutiert, aber wie beim Flut-Zelt blieben ebenfalls schwarzgewandete, extremgepiercte Grufties und Kinder in HipHop-Kapuzen stehen, um sich in angemessener Zeit eine unvoreingenommene Meinung zu bilden.

Plötzlich war das Geschrei groß. Weder stand die Flut-Bühne tatsächlich in Flammen, noch gelang einem Streetballer ein besonders spektakulärer Slam-Dunk oder begeisterte eine Darbietung den gesamten Deich. Der Himmel machte seine lichterne Androhung war und entlud massenhaft Feuchtigkeit in die warme Sommerluft. In Sekundenschnelle waren die zuvor gut besetzten Bänke und Tische wie leergefegt. Menschentrauben preßten sich an die Theken der Bierstände, in der Hoffnung, ein kleines Stück der Überdachung zu ergattern. Als der Regen nach ungefähr zwei Bieren aufhörte, brandete Applaus über den ganzen Platz.

Andreas Neuenkirchen