■ Debatte
: Kein Sprungbrett für den „modernen“ Rechtsextremismus

Sollen PolitikerInnen und hochgestellte AmtsträgerInnen mit dem italienischen Neofaschisten Gianfranco Fini, dem Vorsitzenden der Allianza Nazionale, reden? Der bündnisgrüne Abgeordnete Hartwig Berger meint „nein“ und kritisiert damit Eckart Stratenschulte, den Leiter der Europäischen Akademie. Stratenschulte forderte in einem Debattenbeitrag in der taz (16.5.) die persönliche, öffentliche Auseinandersetzung mit der erstarkenden europäischen Rechten. Anlaß der Kontroverse: Parlamentspräsident Herwig Haase und Innensenator Jörg Schönbohm (beide CDU) hatten Fini empfangen, Stratenschulte wollte in der Europäischen Akademie mit ihm diskutieren. Nach Berichten in der taz sagten Haase und Schönbohm ab, worauf Fini auch nicht mehr in die Akademie kommen wollte.

Der Leiter der Europäischen Akademie wirft den Gegnern von Fini-Auftritten in Berlin eine provinzielle Haltung vor, mit der die „Bundeshauptstadt politisch und intellektuell (nur) in der Regionalliga spielt“. Er ruft zu einer offenen Diskussion mit PolitikerInnen der „modernen“ äußeren Rechten auf und rechnet dazu die Bereitschaft, sie zu parlamentarischen Empfängen und zu Vorträgen an renommierten Einrichtungen wie der Europäischen Akademie einzuladen. Da meine Fraktion durch frühzeitige Intervention beides erfolgreich verhindert hat, sehe ich mich angesprochen.

Herr Stratenschulte unterliegt einer bedenklichen Fehleinschätzung, die vor allem politische Strategien des neuen „White Collar“-Rechtsextremismus nicht zur Kenntnis nimmt. Hauptmotiv für die Verwandlung des neofaschistischen MSI in die sich „postfaschistisch“ nennende Alleanza Nazionale (AN) war das Bestreben, endlich so salonfähig zu werden, daß z.B. eine Regierungsbeteiligung möglich wird. Diese Strategie hatte mit dem Kabinett Berlusconi/Fini/Bossi einen rasanten Erfolg, erlitt aber noch vor den Nationalwahlen 1996 einen herben Rückschlag. Die Rechtskoalition in Italien zerbrach auch deshalb, weil sie wegen der AN- Beteiligung international ins Zwielicht geriet. Folglich bemüht sich der eloquente AN-Chef jetzt konsequent, auf der internationalen Bühne Anerkennung und Salonfähigkeit zu erlangen.

Diese Zusammenhänge müssen wir mit bedenken, wenn wir über öffentlich wirksame Auftritte von Fini und anderen modernen Rechtsextremen in Berlin reden. Die Frage ist nicht, ob die AN durch Einladung an Fini neue WählerInnen in Italien gewinnt, sondern ob wir im Boot eines demokratischen Grundkonsens Gruppierungen dulden sollen, die klar ausländerfeindliche Orientierungen haben, die Europa wieder in gegensätzliche Nationalstaaten einkapseln wollen und die sich keineswegs vom Erbe des Faschismus gelöst haben. Sollen z.B. wir durch Empfänge und Auftritte einen Politiker honorieren, der für die Annexion von Istrien an Italien wirbt und der damit weiter Öl ins Feuer der südosteuropäischen Nationalkonflikte gießt?

Keine Frage: Mit der Politik nationalistischer Parteien in Europa, wie der Alleanza Nazionale, der Front National in Frankreich, der FPÖ in Österreich müssen wir uns aktiver als bisher auseinandersetzen. Doch Einladungen an ihre prominenten Vertreter, geschweige ihre Parteivorsitzenden, setzen ein Maß an Tolerierung voraus, zu dem kein Anlaß besteht, schon gar nicht in Berlin. Schließlich war diese Stadt einmal Ausgangspunkt der „Achse Berlin–Rom“ unseligen Angedenkens, die Europa weitgehend zerstört hat. Und schließlich sollten wir in Rechnung stellen, daß Rechte wie Fini, Haider und Le Pen darauf setzen, daß sich „endlich“ in Deutschland eine „moderne“ Rechtspartei nach ihrem Muster bildet. Dazu brauchen diese Herren Auftritte in unserem Land, vorzugsweise in der Bundeshauptstadt, am besten an anerkannten Akademien wie der Europäischen.

Diese Politik müssen wir bekämpfen, statt ihr Vorschub zu leisten. Wie der Rechtsextremismus eine demokratisch insgesamt gebotene Toleranz ausnutzt, läßt sich an der deutschen Geschichte wahrlich gut studieren. Eine kämpferische Demokratie braucht nicht mit allen zu reden, sie sollte mit Bedacht wählerisch sein. Hartwig Berger