"Aufs Wirtschaftliche konzentrieren"

■ "Den Laden klein halten und damit auch die Kosten": Martin van Doren, Deutschlandimporteur der Surf-Kultbekleidungsfirma Stüssy, über das Ende der Trendschnüffler und die Bewußtseinsschlenker der Szene

taz: Shawn Stüssy gilt als Urvater der Streetwear, die ihre Ursprünge in der Surf-, Punk- und Skate-Subkultur der US-Westcoast hatte. Was macht er heute?

Martin van Doren: Er chillt! Ein relaxter Mittvierziger, der seinen Kindern beim Größerwerden zuschaut, Möbel sammelt und Palmen züchtet. Irgendwann ist man halt draußen. Hin und wieder geht er noch mal in die Firma und kontrolliert die Farbe der Shorts- Nähte. Acht Jahre lang hat er alles allein entworfen, jetzt überläßt er jüngeren Leuten die kreative Linie und hält sich im Hintergrund.

Brettsportarten und Musik bildeten den ursprünglichen Background von Stüssy. Mittlerweile hat sich daraus weltweit ein Entertainment-Komplex gebildet. Ließ sich diese Entwicklung absehen?

Nö, zumindest nicht auf dem Textilmarkt. Bis Ende der Achtziger existierte ein relevanter Markt für US-Underground-Sachen praktisch nicht. Das war Spinnerkram, für den sich bestenfalls einige Skateshops interessierten. An damals angesagten Mainstream- Trendmarken wie Replay, Chipie oder Diesel lief das völlig vorbei. Zu Anfang habe ich drei, später dann fünf Kunden mit insgesamt etwa 100 bis 150 T-Shirts beliefert. Geld verdient habe ich mit Skaten.

Mittlerweile belieferst du 120 Einzelhändler. Wie kam es zum wirtschaftlichen Durchbruch?

Durch zahlreiche Faktoren. Trotz der abflauenden Skatewelle war das Interesse an US-Sportswear allgemein ab etwa 1992 sprunghaft angestiegen. Die amerikanischen Teamsportarten und ihre Accessoires wurden immer beliebter, HipHop wurde in Europa zum großen Ding. Die plakativen Stüssy-Entwürfe paßten mit dieser Rasta-Trikolore genau ins Bild. Ein etwas abgedrehter Surf- Look für europäische Großstadtkids. Stüssy hatte immer schon mit gedeckteren Farben und einem coolen Understatement gearbeitet, aber planen konnten wir den Boom nicht. Genausowenig ließ sich voraussagen, daß der bald folgende XXL-Baggy-Look von britischen Ravern, die aus einer ganz anderen Ecke kommen, aufgegriffen und weitergeführt wurde. Das waren popkulturelle Zufälle.

Auf diese Zufälle hat sich das ganze Marketing gestürzt...

Der Bekleidungsmarkt stagnierte vier, fünf Jahre, und plötzlich verursacht ein kleiner, hipper Sektor einen immensen Wirbel. Die großen Sportartikler wollten nicht noch einmal den Zug der Zeit verpassen. In diesem Zusammenhang sind dann lustige Berufsbilder wie z.B. der „Trendscout“ entstanden. Aber dieses System hat eher Informationswirrwarr zutage gefördert, als daß es Entscheidungshilfen geben konnte. Inzwischen ist das Interesse an Bewußtseinsschlenkern der Szene abgeflaut. Man konzentriert sich auf wirtschaftliche Fragen.

Drohte nie Gefahr durch Trittbrettfahrer? Zuerst machen einige Insider ganz ordentliche Nischengeschäfte, dann wird industriell abgekupfert. Die Hipness geht flöten, das Preisgefüge gerät aus den Fugen, und letztlich bleiben alle auf ihrem Kram sitzen...

Bei uns hat sich die Sache von ganz alleine geregelt. Es gibt nämlich gar nicht so viele Leute, die unser Zeug auch wirklich kaufen! Extremes Wachstum mit großem Apparat, mehr Streß und Kosten standen nicht zur Debatte. Außerdem ist Stüssy eine typisch amerikanische Marke, der Einflüsse oder Zyklen in Europa völlig egal sind. Das sind californian dudes, die sitzen da und zeigen ihre Kollektion. Wenn dir das gefällt, ist das schön, und du kannst es kaufen. Wenn nicht, auch egal.

Daß die aufregenden Zeiten im Street- und Sportsbereich vorbei sind, deutete sich ja schon bei der letzten Kölner Herrenmodewoche an. Man hatte den Eindruck, einige Marken haben Abschied von den Kids genommen und peilen erwachsenere Kundschaft an.

Am Anfang stand mal wieder der Straßengeschmack. Ehemals konservative Marken aus der Segler- und Golf-Opa-Ecke wie Helly Hansen oder Tommy Hilfiger wurden vor drei, vier Jahren in HipHop-Zusammenhängen entdeckt. Hilfiger hat daraufhin sein Marketing auch auf jüngere, schwarze Käufer ausgerichtet, ohne den weißen New-England-Stil großartig zu ändern. Warum sollten sie auch, genau das war schließlich gefragt. Durch solche Tendenzen mag ein Erwachsenen-Eindruck entstehen. Trotzdem sind selbst die jüngeren Linien aus dem klassischen Designerlager noch meilenweit entfernt. Helmut Lang ist nicht mit Stüssy zu vergleichen.

Ihr seid mit eurer kleinen Stammkundschaft gereift und habt allen Trendstürmen trotzen können. Ein Überlebensrezept?

Wir halten unseren Laden klein, damit gleichzeitig auch die Kosten. Ich habe keine Riesenagenturen, das ist eher Family-Business. Nur so kannst du in dieser Dog-eat- Brands-Welt mittelfristig 'ne Mark machen. Das Label muß einigermaßen hip bleiben, der Rest ist ziemlich langweiliges Kaufmannshandwerk. Aktuell müssen wir beispielsweise die Dollarkursschwankungen im Auge behalten. Bis vor ein, zwei Jahren hatten wir mit Grauimporten zu kämpfen, doch das Anfang 95 europaweit geltende Markengesetz, das Direktimporte faktisch mit Fälschungen gleichsetzt, ist mittlerweile weitgehend durchgesetzt. Interview: Ralf Niemczyk