Der Mann der Intellektuellen

■ Mohammad Chatemi gilt als integer, tolerant und weltoffen

In der iranischen Politik ist er ein Außenseiter. Daß der aus einer angesehenen Gelehrtenfamilie stammende Mohammad Chatemi vielleicht doch Aussicht auf das Präsidentenamt hat, ist seinem Ruf als integrer Politiker zu verdanken. Wegen sachlicher Differenzen über die Amtsgestaltung reichte der damalige Kulturminister 1992 seinen Rücktritt ein. Von der konservativen Presse als „Liberaler“ gescholten, zog er sich auf den Posten des Leiters der Nationalbibliothek zurück. Seitdem lehrt er an der Universität und forscht zu modernen islamischen Reformbewegungen und politischer Theorie der Antike. Zur Politik äußerte er sich öffentlich erst wieder im Rahmen seiner Kandidatur.

Der 1943 in Jasd in der zentraliranischen Wüste geborene Chatemi gilt als als Verfechter von Öffnung und Toleranz. Während seiner Amtszeit bemühte er sich um kulturellen Austausch mit anderen, auch westlichen Ländern. Der Iran könne sich nicht von der restlichen Welt abkapseln, indem er einfach die Moderne in Form von Satellitenschüsseln verbiete, erklärte er. Sein Eintreten für die Meinungsfreiheit rechtfertigt er mit der traditionellen islamischen Gelehrsamkeit. Man dürfe niemanden zum Ungläubigen stempeln, weil er anders denke.

Zur Kandidatur entschied sich Chatemi auf Drängen zweier grundverschiedener Flügel der iranischen Führung: die seit der Revolution in den Hintergrund gedrängten Linksislamisten und die Technokraten um den scheidenden Präsidenten Rafsandschani – ein reines Zweckbündnis zur Verhinderung Nateq Nuris. Falls dieser die Wahl gewinnen sollte, müssen die Anhänger Rafsandschanis um ihre Posten fürchten, verbunden mit dem endgültigen Ende der von Rafsandschani zaghaft eingeleiteten Öffnung. Für die Linksislamisten ist eine Koalition mit den Technokraten die einzige Möglichkeit, an die Regierung zu kommen.

Chatemi, der vor der Revolution Chef der iranischen Moschee in Hamburg war, leitete zehn Jahre das Teheraner Kulturministerium – strenggenommen ist er damit „einer von denen“. Trotzdem ist er besonders unter Intellektuellen angesehen. In seiner Amtszeit durften mittlerweile verbotene Zeitschriften erscheinen, heutzutage zensierte Bücher erhielten die Druckerlaubnis.

Doch Chatemi hat einen entscheidenden Nachteil: Unter der iranischen Bevölkerung ist er kaum bekannt. Politbeobachter schätzen sein WählerInnenpotential auf 40 Prozent; es würde steigen, wenn bisher überzeugte Nichtwähler aus der Mittelschicht in dem Hodschatolislam einen Hoffnungsträger entdecken. Unter iranischen Frauen soll Chatemi derzeit Sympathien gewonnen haben. Katajun Amirpur