: Das Filmfest wiederbeleben
■ Pläne, Projekte, Probleme: Michael Flügger ist neuer Chef im Filmbüro
Der letzte Film im Kino? „,Lone Star' von John Sayles.“Und der letzte durch Filmförderung unterstützte deutsche Film? „,14 Tage lebenslänglich' von Roland Suso Richter.“Michael Flügger ist in Sachen Kino auf dem laufenden. Doch seit einigen Monaten erweitern nicht nur Sheriff- und Knastgeschichten aus dem amerikanischen oder deutschen Westen seinen Horizont. Vielmehr sind ungezählte Bremer Stories hinzugekommen. Denn Michael Flügger führt seit Januar des laufenden Jahres die Geschäfte des Bremer Filmbüros. Nach einer angemessenen Einarbeitungszeit präsentierte er der taz jetzt seine Pläne, Projekte und Probleme.
Bremen und Filmproduktion, das paßt beinahe genauso wenig zusammen wie Coca Cola und Abendmahl. Trotzdem zählt das im Waller Medienzentrum untergebrachte Filmbüro ungeahnte 120 Mitglieder, die sich professionell mit den laufenden Bildern beschäftigen oder zumindest solche Pläne hegen. Und weil man in Bremen schon ab rund 80 Leuten von einer „Szene“sprechen kann, gibt es für die Film-Szene ein Büro und für das Büro einen Geschäftsführer, der allerdings aus einem notorisch wackeligen Etat bezahlt wird.
In diesem Jahr könnte der in Richtung warmer Geldregen wackeln. Weil 1996 die Haupthandlung eines jeden Filmbüros, nämlich die Filmförderung, vertagt wurde, stehen noch 100.000 Mark dafür zur Verfügung. Weitere 100.000 Mark für das laufende Jahr sind für Herbst in Aussicht gestellt. Für außerbremische Verhältnisse sind solche Beträge zwar nur ein Doppel-Klaks, aber innerhalb der Stadtgrenzen gehen die Uhren nach jahrelanger Null-Förderung anders. „Damit können wir wieder Leben in die eingeschlafene Produktionsszene bringen“, glaubt Flügger und weiß, daß von 33 bisher eingereichten Anträgen auf Förderung 27 aus Bremen kommen.
Michael Flügger selbst hat eine andere Herkunft. Das Filmemachen lernte der in Hamburg lebende Kinokenner nur bei einem Dokumentarfilmprojekt kennen und ließ dann davon ab. Statt dessen wechselte er auf die Produzentenseite und arbeitete für die Gesellschaften „AG Kino“, die „Capitol“und die „Connection-Film“. Zwischenzeitlich organisierte er die Hamburger Kinotage. Ein Angebot, zum Produktionsriesen „CLT“nach Luxemburg zu gehen, schlug er zu Gunsten Bremens aus. „Die Gestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeiten haben mich hier gereizt“, erklärt Flügger diesen Entschluß. Den er erläutern muß.
„Bremen ist kein Produktionsstandort und wird sich dazu auch nicht entwickeln“, sieht Flügger die Lage realistisch. Und doch zieht er nach Durchsicht der Förderungsanträge eine optimistische Bilanz: „Es gibt viele, die Filme machen wollen und das Potential dazu haben.“Und genau darauf kommt es an. Denn auch mit 100.000 Mark echtem und weiteren 100.000 Mark bislang virtuellem Geld, das Anfang Juni von einer Jury vergeben oder versprochen wird, können in Bremen allenfalls Projekte und Nachwuchs gefördert werden. Deshalb zielt die Unterstützung auf Filmprojekte und Drehbuchmanuskripte. Obwohl Flügger der Jury – Jochen Wolf (NDR), Andreas Voigt (Dokumentarfilmer und Grimme-Preisträger) und Barbara von Poschinger (Dokumentarfilmerin) – nicht vorgreifen will, kündigt er an, daß die EinsenderInnen das ganze Spektrum zwischen Dokumentar-, Kurz- und Spielfilm bedienen.
Von der früheren Beschränkung auf Dokumentarfilme hat sich das Filmbüro längst verabschiedet. Die werden „nur“mit dem Dokumentarfilm-Förderpreis besonders behandelt. „Für das nächste Jahr wird möglicherweise eine thematische Vorgabe gemacht“, kündigt Flügger an. Außerdem knüpft der Filmbüroleiter Kontakte zu Fernsehsendern, um den PreisträgerInnen gleich nach der Verleihung eine Realisierungschance zu verschaffen. Auch die Wiederbelebung des Bremer Filmfestes, das das Kommunalkino Kino 46 und das Filmbüro im Vorjahr dicke Verluste einbrachte, steht auf Flüggers Projekt-Liste. Doch klar ist bislang nur: „Das kann man nicht allein im Waller Medienzentrum machen.“Will sagen: Ein Filmfest, das diesen Namen verdient, muß in mehreren Kinos stattfinden.
Doch bis dahin werden im Filmbüro, das neben den Mitteln für die Filmförderung zur Zeit knapp 140.000 Mark Zuschüsse erhält, kleinere Brötchen gebacken. Anfang Juli steht ein Kurzfilmwochenende auf dem Programm. Dabei werden Bremer Filme in der Reihe „Young Collections“zusammen mit einer vom Hamburger Kurzfilmfestival übernommenen Auswahl gezeigt. Vor allem an die im Filmbüro organisierten CineastInnen wendet sich das wiederbelebte Fortbildungsprogramm. Durch eine neue Zusammenarbeit mit dem Qualifizierungsprojekt „Target“des Arbeitsamts wollen Flügger und Co namhafte ReferentInnen in die Hansestadt einladen. Ob John Sayles und Roland Suso Richter dazuzählen, vermochte Michael Flügger allerdings noch nicht zu sagen. ck/Fotos (5): Niko Wolff
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