Bündnis für Arbeit? Ham wa' schon

■ Im Osten gibt es schon längst Öffnungsklauseln und Lohnabsenkungen. Trotzdem fallen immer mehr Stellen weg

Günther Waschkuhn ist sauer über die „Ostinitiative“. „Das mag vielleicht eine wahlwirksame Erklärung sein, so nach dem Motto: Der Kanzler tut auch was für den Osten. Mit der Wirklichkeit hat das nichts zu tun.“

Waschkuhn, Vorsitzender der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) in Brandenburg wurde mitsamt seinen Mitarbeitern überrascht von der neuen Kohl-Runde unter Einschluß der Arbeitgeber und des DGB. Gerade die Gewerkschafter und Betriebsräte vor Ort müßten schon seit Jahren mühsame Detailarbeit leisten, um Jobs und Auskommen zu sichern.

Angesichts der Vorschläge in dem Initiativpapier kann Waschkuhn nur müde lächeln. Öffnung der Tarifverträge? „Das gibt es doch längst“, sagt der Landesvorsitzende. Im Osteinzelhandel zum Beispiel gilt für kleinere Betriebe eine sogenannte „Differenzierungsklausel“. Wer weniger als 16 Angestellte hat, darf sechs Prozent unter dem sonst geltenden Tarif zahlen, wer weniger als sechs MitarbeiterInnen beschäftigt, sogar acht Prozent. Einfach so. Und obwohl der Einzelhandelstarifvertrag allgemeinverbindlich ist und damit für alle verpflichtend, halten sich laut Waschkuhn nur zwei Drittel der Handelsbetriebe daran.

In der Ostmetallbranche sind nach Schätzungen der IG Metall weniger als ein Drittel der Unternehmer im Arbeitgeberverband organisiert. „Wir verhandeln nicht mehr mit dem Großteil der Unternehmen, wenn wir mit den Arbeitgebern verhandeln“, hatte vor einigen Monaten Berthold Huber, Leiter der Tarifabteilung im IG- Metall-Vorstand, beklagt. Viele Ostmetallbetriebe haben die schrittweise Lohnangleichung an den Westen nicht vollzogen. Sie sparen mit niedrigerer Einstufung von Beschäftigten, längeren Arbeitszeiten, gekürzten leistungsbezogenen Lohnanteilen, gekapptem Weihnachts- und Urlaubsgeld.

In der Bauwirtschaft herrscht endgültig Lohnwildnis. Beim Streit um das Entsendegesetz zeigte sich, daß viele Ostbetriebe sogar den deutschen Beschäftigten nur Stundenlöhne um 14 Mark brutto zahlten. So weit runter reicht kein Bautarifvertrag.

Viel nützt der Lohnverzicht nicht: Laut Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaft (IW) für den Osten planen dort rund 85 Prozent der Baufirmen weiteren Personalabbau. Im verarbeitenden Gewerbe wird zwar mit steigenden Umsatzzahlen gerechnet. Aber auch in der Ostindustrie werden in diesem Jahr nochmals 20.000 Stellen wegfallen, so das Münchner Ifo-Institut. Vor allem Bürokräfte in der Chemie-, Mineralöl- und Metallindustrie, also Frauen, seien davon betroffen.

Die Löhne einfach abzusenken, um Beschäftigung zu sichern, ist gerade für viele Niedrigverdiener im Osten keine Lösung. „Die arbeiten jetzt doch schon vielfach am Sozialhilfeniveau“, so Waschkuhn. „Öffnungsklauseln sind was für Verdienstgruppen um 5.000 Mark brutto.“ Davon gibt es im Osten nicht allzuviel. Barbara Dribbusch