Der Club der Illusionäre gründet eine Initiative

■ Dem Bündnis für mehr Jobs im Osten wird wenig Aussicht auf Erfolg attestiert

Berlin (taz) – Einträchtig wie lange nicht mehr versicherten Politiker, Unternehmer und Gewerkschaften gestern im Festsaal des Roten Rathauses, sich gemeinsam anzustrengen, um der maroden ostdeutschen Wirtschaft neuen Auftrieb zu geben. Ihre Initiative „für mehr Arbeitsplätze in Ostdeutschland“ sieht unter anderem vor, daß die Bundesregierung ihre Ostförderung bis zum Jahr 2004 fortsetzt. Im Gegenzug wollen die Gewerkschaften im Flächentarifvertrag mehr Spielraum. Die Wirtschaft verspricht, mehr Lehrstellen zu schaffen und mehr Produkte im Osten zu ordern. Allerdings sind die Vorschläge nicht neu. In vielen Tarifverträgen, etwa beim Bau, gelten ohnehin schon Sonderklauseln. Zudem unterliegen etwa drei Viertel der Ostbetriebe keiner Tarifanbindung; sie sind erst gar nicht den Verbänden beigetreten.

Das „Bündnis“ besteht aus Selbstverpflichtungen: Der Handel etwa will mehr Produkte im Osten ordern, allerdings nur, wenn „entsprechende preisliche und qualitative Liefermöglichkeiten bestehen“. Auf diese Weise sollen 100.000 neue Arbeitsplätze pro Jahr ab 1998 entstehen. Die Bonner Koalition ist von der Schlagkraft der Initiative überzeugt. Es werde in „der entscheidenden nationalen Frage der Arbeitslosigkeit einen Konsens finden“, sagte Kanzler Helmut Kohl. Weit skeptischer zeigen sich einige ostdeutsche Länderchefs. Reinhard Höppner aus Sachsen- Anhalt zweifelt am Erfolg des Projekts. 100.000 neue Stellen seien eine „Illusion“, kommentierte er. SPD-Chef Oskar Lafontaine sagte: „Eine Wende auf dem Arbeitsmarkt wird die Initiative nicht bringen.“ Das Programm enthalte „viel weiße Salbe“, sekundierte sein Stellvertreter Wolfgang Thierse. Das Institut der deutschen Wirtschaft teilte mit, vor allem in der Baubranche und im Dienstleistungsgewerbe sollen weitere Stellen gestrichen werden. Allein beim Handwerk sollen es 50.000 sein. roga Tagesthema Seite 3