Erlebnis-Gastronomie

Erlebnis-Gastronomie, hab ich immer gedacht, is, wenn du in sonne Kiez-Kneipe von eine sogenannte Dame angekobert wirst, indem sie in Trän' ausbricht und dir erzählt, daß du sie an ihre erste große Liebe erinnerst. Er war ein Medezinstudent aus Göttingen und hat nebenbei noch Gedichte gemacht. Und ich hätte genau so'n sensibeln Zug umme Augen. Gut, du spendierst 'n Lütt un' Lütt und noch ein' und noch ein'! Oder du hast Glück und neben dir hockt 'n Turist aus Bayern, also einer von diese Lurche mit ihre unkultevierte Sprache und 'n Rasierpinsel an' Hut. Aber zwei Flunkies sind schon bei ihn und lassen für ihn 'n Underberg spring', aber war ein K.O.-Drink, der ihn auch schon senkrecht von' Hocker haut. Klar, daß die ihn anne frische Luft bring', wo se ihn gegen eine Hausmauer lehn' und dabei kralln 'se sich dann Portmanneh, Brieftasche, meistens auch noch Armbanduhr und Händi. Also, diese Sachen sind eigentlich in gewisse Pinten normal und habn mit Erlebnis-Gastronomie nix zu tun.

Das ist nämlich, wenn da mitmal einer anfängt Klavier zu spieln und dazu noch was Klassisches. Neulich hat sich 'n Bekannter von mir mal vor Schreck de neue Zahnprothese durchgebissen und de eine Hälfte sogar verschluckt! Und kam von diese Simfonie mitten Paukenschlag'. Oder steht mitmal einer auf und trägt'n Gedicht vor. „Ich finde die Idee gar nicht so übel“, sinniert Studienrat Arnold, einer von meine härteste Stammkunden, als er die Knete für de Rätselzeitschrift „Pythia“auffen Tresen legt, wo bloß Kreuzworträtsel drin sind, aber total anspruchsvoll. Zun Beispiel, wie der Opa von den ägiptischen Farao Rammses heißt und hat neun Buchstaben... „Ich bin nämlich der Meinung“, seibelt der Arnold weiter, „daß Kultur und Essen vieles gemeinsam haben und besonders die Musik...“„Machen Sie halblang“, sag' ich, „wenn ich da anne Endlos-Kassette von mein' Stammgriechen denk, da kriegt man doch 'ne Klatsche von! Und ich glaub', dieser Jannis läßt seine folkloristische Töne, die sich wie 'n Mix aus Kreissäge und Streifenwagen anhörn', bloß laufen, damit sich de Gäste nicht so lange an ihrn Uso festhalten.“„Ich habe neulich mal in einem Nobelrestaurant gegessen, da wurde den Gästen eine exquisite Modenschau vorgeführt“, fängt nu ausgerechnet Sonnenbank-Heinzi an zu texten. Ich muß lachn. „Damit“, sag ich, „wollten die bestimmt von ihre verkohlte Stäks ablenken. Wenn die Dam' nämlich ihre Hülln fallnlassen, vergißt man doch glatt, was man auffen Teller hat.“„Neulich“, sagt Jungunternehmer Aschler un' zieht sich de Börsenzeitung 'Jackpot' aussen Stapel, „haben wir vom Bund der Jungunternehmer unser Jahrestreffen gehabt. Bei einem ziemlich feudalen Italiener. Und als wir gerade die Antipasti serviert bekommen, stürmen drei Kerle ins Lokal. Dunkle Brillen, weiße Hüte, lackierte Schnurrbärte. Wie in drittklassigen Gangsterfilmen. 'Was für eine Schmierenkomödie!' denk ich noch. Da zieht der größte der Typen auch schon eine M.P. unter seinem Sakko vor und ballert das Magazin leer. Auf zwei Herren, die am Nebentisch vor einer Lasagne sitzen. Riesige Einschußlöcher auf ihren Jacketts, aus denen literweise Blut herausläuft. Und alles auf die Lasagne. Eine peinliche Darbietung. Die Opfer verdrehen zu allem Überfluß auch noch die Augen und fallen pathetisch auf den Boden.“„Da würde mir ja sämtlicher Appetit vergehn“, sag' ich. Herr Aschler nickt: „So war's. Außerdem war das echt und somit noch peinlicher.“