: Eine Art Volksmusik
■ Bremer Chorsänger komponierte ein Werk nach Nazim Hikmet
Morgen abend findet in der Waldorfschule ein Konzert statt, das in vieler Hinsicht zu den bemerkenswertesten Ereignissen der Soziokultur zählen dürfte. Der zypriotische Sänger Can Tufan, engagiert im Chor des Bremer Theaters, hat ein abendfüllendes Stück komponiert: Die Textgrundlage ist „Das Epos von Seyh Bedreddin“des größten türkischen Dichters Nazim Hikmet. Der anatolische Philosoph Seyh Bedreddin, 1360 geboren, verfaßte Werke über die Grundlagen einer befreiten und gerechten Gesellschaft. Wir sprachen mit Can Tufan über Hintergrund und Entstehung des idealistischen und ehrgeizigen Projektes, an dem der Bremer Solidaritätschor und die Gruppe Argus beteiligt sind.
taz: Sie sind auf Zypern zur Welt gekommen. Von einem gerechten Zusammenleben kann dort keine Rede sein?
Can Tufan: Nein. Ich selbst bin während des Bürgerkrieges geboren. Mein Vater lebte im Untergrund, wir im türkischen Getto. Ich bin aufgewachsen in dem ständigen Hin und Her griechischer, türkischer und zypriotischer Interessen und Kämpfe, die ganze Geschichte ist sehr kompliziert.
Wie hat sie Sie geprägt?
Ganz früh schon haßte ich diese Männerwelt. 1974 war die Invasion der Türken, unsere Familie geriet in griechische Gefangenschaft. Die Musik meiner Kindheit ist griechisch. Das einzg Positive war, daß ich gelernt habe, mich auf alle möglichen Umstände einzustellen.
Wie kamen Sie nach Deutschland?
Zum Studium. Mein Vater wollte, daß ich Jura oder Medizin studiere, er hat es bis heute nicht verwunden, daß ich Musik mache. Für mich war das Durchsetzen gegen ihn ein ganz großer Akt, weil ich früher nur gehorcht habe.
Wie sind Sie auf Nazim Hikmet gestoßen? Seine zum Teil im Gefängnis entstandenen Texte waren bis in die siebziger Jahre verboten.
In der Schule haben wir nichts von diesem Dichter erfahren. Ich habe ihn durch einen Rocksänger kennengelernt. Seine Texte sind für mich persönlich von größter Bedeutung. Unter der Zunahme des Fundamentalismus in aller Welt sind Stimmen wie die von Hikmet und Bedreddin unglaublich wichtig, die sagen, daß es keinen Unterschied geben darf zwischen den Menschen.
Durch den Ansatz Ihrer Arbeit drängt sich der Vergleich mit Mikis Theodorakis auf...
Er ist ein großes Vorbild – politisch und musikalisch.
Wie ist Ihre Komposition aufgebaut?
Der Text, der über das Leben Bedreddins erzählt, wird rezitiert. Dazwischen gibt es eben Musikstücke. Die Besetzung besteht aus einem großen Orchester, Solisten und Chor.
Das klingt sehr europäisch. Welches musikalische Material nutzen Sie?
Ich benutze Makams, das sind orientalische Tonarten. Ich nutze auch die Praxis der instrumentalen Einleitungen durch die Saz, die türkische Langhalslaute: Die habe ich – aus Kostengründen – nicht, aber ich komme dem mit Geigen sehr nahe. Aber alles zusammen würde ich als Fragmente von Kunst- und Volksmusik bezeichnen. Der Chor, in dem griechische, türkische, zypriotische und deutsche SängerInnen sind steht vor einer unglaublichen Herausforderung. Wir proben seit zwei Jahren.
Wie finanzieren Sie das Unternehmen?
Das ist ein wunder Punkt. Von der Kulturbehörde kam nur ganz wenig. Ich finde es empörend, daß ein derart einzigartiges Unternehmen politisch nicht gestützt wird.
Möchten Sie eines Tages wieder nach Zypern zurückkehren?
Ja, aber nur, wenn ich ein multikulturelles Klima verantwortlich mitgestalten kann.
Fragen: Ute Schalz-Laurenze
Aufführung am Sonntag, 25. Mai, um 19.30 in der Waldorfschule in der Touler Straße
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